Abiona - Das Bündnis (German Edition)
zu geben. Doch was ist deine Macht gegenüber der meinen, die mir geschenkt wurde als Gnadengabe?«
Die Flammen schienen aufzuhorchen und näher zu kommen. Jack fuhr ermutigt fort: »Ja, ich habe eine Macht, von der du nur träumen kannst, Vanderwal. Sieh her!«
Er ließ seine rechte Hand über den Boden gleiten und dieser erhitzte sich unter seiner ausgestreckten Hand plötzlich so stark, dass das Gestein anfing sich zu verflüssigen. Dabei verfärbte es sich erst orangerot, dann weißrot und begann schließlich zu blubbern wie kochende Lavabrühe. Jack führte seine Hand nun blitzschnell nach oben und das flüssige Gestein folgte seiner Bewegung wie eine Schlange, die den Befehlen ihres Beschwörers nachkommt. Nach und nach formte sich die heiße Masse unter seinen Händen zu einem mystischen Wesen. Die Flügel des Tieres waren die eines Adlers, der Körper glich dem eines Pferdes. Und noch immer glühte das Gestein rötlich, aber es behielt seine erschreckend makellose Form bei und erstarrte langsam zu glattem schwarzem Gestein.
Jack ließ die Hand sinken und die Skulptur erstrahlte in unheimlicher Pracht. Der Körper des Pferdes war jetzt schwarz. Doch der Schweif, die Adlerschwingen und die Mähne schimmerten im Schein des Feuers rot. Die Augen dagegen glommen golden auf und starrten Jack an, als würden sie auf seine Befehle warten.
Jack atmete angestrengt aus. Er war schweißgebadet. Aber das kleine Kunststück war ihm gelungen. Und er hatte noch etwas erreicht. Das Feuer, das Vanderwals Wesen barg und vor ihm auf und ab flackerte, verdichtete sich plötzlich und nahm die Gestalt einer alten, runzeligen Frau an. Sie sah nicht gütig aus wie Monatom und auch nicht schön und leidenschaftlich wie die Dunkle Herrscherin, sondern sie wirkte mit ihren dünnen, spärlichen Haaren und der faltigen Haut eher verhärmt, und irgendetwas an ihrem Aussehen erinnerte Jack an Hanrik, den Gelehrten. Dennoch war er froh, dass sie sich ihm auf diese Weise offenbart hatte. Denn er empfand es als angenehmer mit einer menschlichen Gestalt zu verhandeln, als mit einem wütenden Flammenmeer.
So neigte er den Kopf zum Gruß und sagte in respektvollem Tonfall: »Vanderwal, es ist mir eine Ehre dich kennenzulernen.«
Die Alte ließ sich nicht anmerken, ob sie seinen Gruß vernommen hatte. Sie näherte sich der PferdeSkulptur, die zerbrechlich und schön auf einem filigranen Sockel aus schwarzem Gestein ruhte und ihre Hand zitterte, als sie die Figur berührte. Sehr vorsichtig streichelten ihre Finger die Flügelansätze und wanderten über den vorgewölbten Hals und Rücken in Richtung Schweif. Ihre Augen glänzten vor Erregung und ihr Mund war vor Erstaunen leicht geöffnet. Dann zog sie urplötzlich ihre Hand wieder zurück und schaute Jack misstrauisch an. Ihre Aura, die silbern geleuchtet hatte, war plötzlich nur noch dunkelgrauer Dunst.
»Du willst wissen, wie ich es gemacht habe«, las Jack in ihren Augen. »Nun…, ich habe ihre Schöpferkraft dafür benutzt, das ist alles.«
Er holte sehr langsam den schwarzen Stein hervor, den er mit der rechten Hand umklammert hatte, und ließ Vanderwal dabei nicht aus den Augen. Er legte sich den Stein auf die flache Hand, so dass die Alte ihn gut sehen konnte. Nur ein kurzer Blick darauf genügte der Kralle und schnell wie der Blitz schnellte ihre Hand vor, um Jack den Stein zu entreißen. Doch darauf war Jack vorbereitet. Etwas bäumte sich auf und biss der Alten in die ausgestreckte Kralle, während sich Jacks Hand schnell und fest um den Stein schloss. Der Heiler lächelte seelenruhig und schüttelte leichthin den Kopf, während er beobachtete, wie die Alte sich gegen Angriffe seines Pferdes wehrte, das erwacht war und die Diebin mit Feuerbissen strafte.
»Was ist nur aus dir geworden, einstige Mittlerin der Welten? Die Gier hat dich unersättlich gemacht und du kennst dich selbst nicht mehr«, sagte Jack bitter und ließ den Stein zurück in seine Tasche gleiten.
Vanderwal zog jaulend wie ein Hund die Hand zurück und kroch auf allen Vieren in eine Ecke der Höhle, die funkelnden Augen auf Jack gerichtet. Das Feuerpferd ließ von ihr ab und landete leichtfüßig neben Jack, wo es wieder zu Stein erstarrte, so als wäre es nie etwas anderes gewesen.
»Hör mich an!«, fuhr Jack nach einer Weile fort. »Ich weiß, dass du nichts sehnsüchtiger begehrst, als die Kraft zu erschaffen und zu gestalten. Deshalb hast du deine Geschwister verbannt in ein Reich, das ihnen die
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