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Abonji, Melinda Nadj

Abonji, Melinda Nadj

Titel: Abonji, Melinda Nadj Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tauben flieggen auf
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Schweinchen mit den zerknitterten Ohren,
das Hinkeschweinchen, und weil kein Schwein so war wie das andere, verzogen wir
uns in die Küche, wenn Onkel Móric oder ein Metzger aus der Gegend kam, um sie
aus dem Stall zu treiben, auf einen kleinen Laster, im Innenhof von Onkel Móric
oder des Metzgers wurden sie geschlachtet, und Sie, Mamika, hatten an diesen
Tagen immer viel zu tun, auch Sie waren aufgeregt, weil Sie die Schweinchen
quietschen hörten, so hoch und schneidend und langgezogen, wie eben nur die
Schweine quietschen können, die wissen schon, was jetzt kommt, haben Sie zu uns
gesagt — und es war sicher eines jener grundsätzlichen Dinge, die wir bei Ihnen
gelernt haben, dass man mit den Tieren mideiden kann, dass es unverstellte
Gefühle gab zu den Tieren, dies, obwohl Sie in Ihrem Leben so viel menschliches
Leid gesehen und erfahren haben.
    Die Gänse, die Nomi ganz
besonders liebte, weil sie so einen schönen Hals und funkelnde Augen haben,
weil sie in ihrem Hintern so gemütlich sind, was?, warum?, Sie sind wütend
geworden, weil Nomi sich geweigert hat, Gänsefleisch zu essen, und Nomi hat
nicht geantwortet, warum sie ausgerechnet das Gänsefleisch nicht essen wolle,
und als es das nächste Mal an einem Sonntag Gänsebraten gab, haben Sie Nomi
angeschaut, und?, und als Nomi ganz bestimmt den Kopf geschüttelt hat, obwohl
sie noch nicht einmal vier Jahre alt war, haben Sie gesagt, es sei
wahrscheinlich, dass Nomi sich zu den Gänsen so hingezogen fühle wie Sie sich
zu den Pferden und dass Sie deswegen ja auch nie Pferdefleisch essen würden,
und obwohl es uns beeindruckt hat, dass Sie nicht wieder wütend geworden sind,
fanden wir es merkwürdig, fast beunruhigend, dass Sie von bestimmten
Seelenverwandtschaften sprachen, zwischen Mensch und Tier, erst viel später,
als Sie uns von unserem Grossvater erzählt haben, haben wir Sie verstanden.
    Als wir alle im Auto sassen,
Sie in unserer Mitte, eine Tasche neben Onkel Móric auf dem Beifahrersitz, als
wir uns aneinanderschmiegten, weil es so kalt war, da versuchte Onkel Móric
vergeblich, den Moskwitsch anzulassen, und ich erinnere mich, dass sich seine
grossen, abstehenden Ohren verfärbten, Onkel Móric, der nie fluchte, aber immer
rote Ohren hatte, wenn er wütend war, aussteigen!, rief er, nein, nein, den Zug
werden wir nicht verpassen, als Sie auf seine Uhr schauten, das habe ich schon
eingerechnet, und Onkel Móric steuerte das Auto mit offener Tür an eine Stelle
im Innenhof, wo er besser unter das Auto kriechen konnte, und Sie, Mamika,
setzten in der Küche noch einen Kaffee auf, damit der Móric sich nachher
nochmals stärken kann, und wir sagten, wir würden nochmals aufs Klo gehen,
schon wieder?, und während Onkel Móric unter dem Moskwitsch lag, haben Nomi
und ich uns auch auf den Boden gelegt, um unter das Drahtgitter-Silo zu sehen,
wir haben uns auf den kalten Novemberboden hingelegt, weil wir irgendwann
einmal da, unter dem Maislager, angefangen hatten, eine eigene Welt aufzubauen,
leere Dosen, kaputte Spielsachen, Papierfetzchen, Federn, Maiskörner, die wir
nach bestimmten Mustern gruppierten, und jedes Mal, wenn wir uns wieder
hinlegten, waren wir aufgeregt, ob alles noch so sein würde, wie wir es
hingestellt hatten, und wenn nicht, malten wir uns aus, was in der Zwischenzeit
geschehen war, eine Maus, eine Katze, irgendein Wesen, das sich in die Ordnung
unserer Dinge eingemischt hatte.
    Ich weiss nicht mehr, wie
lange es gedauert hat, bis wir wieder im Auto sassen und Onkel Móric mit
schmutzigen Händen das Steuerrad umfasste, Mamika, beten Sie, dass die Karre
uns unterwegs nicht im Stich lässt, und Onkel Móric musste gleich wieder
aussteigen, um das Tor hinter uns zu schliessen, und Nomi und ich, wir wollten
jetzt schon eine Salzstange, obwohl wir ja noch nicht einmal losgefahren
waren, und mit einem Anflug von Ärger langten Sie in Ihre Handtasche, steckten
sich dann auch eine Salzstange in den Mund, und der Moskwitsch wippte, als
Onkel Móric sich hinsetzte und sagte, drei Mäuse knabbern an meinem Ohr, und er
lachte, weil Nomi ihn am Ohrläppchen zupfte, wir fuhren los, sicher mit einer
einstündigen Verspätung oder mehr, und als der Moskwitsch über die Hajduk Stankova holperte, streckten sich
unsere Köpfe wie von selbst zur Ecke, die "Julis Ecke" hiess, weil
Juli fast jeden Tag da stand, an der Ecke Hajduk Stankova — Beogradska, wahrscheinlich ist sie noch
auf dem Markt, sagten Sie, als Nomi und ich Sie mit fragenden

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