Abonji, Melinda Nadj
Blicken
angeschaut haben, als wäre unsere Abfahrt von Juli abhängig gewesen, davon,
dass wir uns von ihr verabschieden konnten, oder anders gesagt, wir konnten
nicht losfahren, ohne uns von ihr verabschiedet zu haben, und Onkel Móric wurde
immer ungeduldiger, weil Mamika ihm gesagt hatte, er solle zur Seite fahren,
er könne ja den Motor laufen lassen, haben Sie zu ihm gesagt, weil er meinte,
er könne ihn wahrscheinlich nicht wieder anstellen, wenn er ihn jetzt
abstelle. Wir sassen also da, warteten auf Juli, was uns allen ganz logisch
erschien, ausser Onkel Móric natürlich, und Juli kam auch, nach einer Weile, in
der Onkel Móric fast zu fluchen angefangen hätte, nicht nur seine Ohren
pulsierten rot, sondern auch seine Nase, als Juli von der hucia utca her um die Ecke bog, Nomi und
ich, wir stiegen sofort aus, mein Mund hat auch gern Salzstangen, sagte sie,
und wir steckten ihr ein paar Süssigkeiten und Salzstangen zu, der November
rupft allen die Haare aus, und Juli trug ein kariertes Kopftuch, einen
knielangen Mantel mit Flicken, wir fahren in die Schweiz, sagte Nomi, die Scheuß antwortete Juli, das ist doch
hinter dem Fluss, und noch viel weiter, habe ich gesagt, ja, ihr habt mir
erzählt, dass ihr in die Schaiz fahrt, kommt ihr morgen wieder?, und Juli steckte
sich drei, vier Salzstangen in den Mund, ich, die Nomi in den Arm stiess,
komm, wir müssen los, und Sie haben das Fenster runtergekurbelt und auf
Wiedersehen meine Julika gerufen, Panni neni, Ihre Mädchen haben mir nicht gesagt, wann sie
wiederkommen, bald!, und wir haben Juli die Arme gestreichelt, sind wieder ins
Auto gestiegen, und Onkel Móric hat so abrupt Gas gegeben, dass es uns in den
Sitz gedrückt hat, wenn der Zug jetzt ohne euch fährt, dann seid ihr schuld!
Keine Ahnung, was Onkel Móric
alles geredet hat, ich jedenfalls habe ihn noch nie so viel reden gehört, und
im Auto hat es nach Braunkohle gerochen, nach Benzin, jetzt mach mal eine
Pause, haben Sie zu Onkel Móric gesagt, aber er hat Sie falsch verstanden und
einfach weitergeredet, gesagt, er könne doch keine Pause machen, jede Minute
sei kostbar. Ich versuche mich zu erinnern, was Onkel Móric alles gesagt hat,
aber es gelingt mir nicht. Vielleicht habe ich mich auch verloren an dieses
Fenster, wo die nackten Bäume an uns vorbeizogen, die farbigen Häuser, die im
Winter so aussahen, als wollten sie in der Erde versinken, weil sie sich ihrer
Farbigkeit schämten in diesem grauen November, wo es nur natürlich ist, dass
man Lichter anzündet für die Toten, Blumen auf die kalte, möglicherweise schon
gefrorene Erde legt.
Ich habe mich sicher an dieses
Fenster verloren, an Tafeln, die durchgestrichene Ortstafel Z enta, C ehta, S enta , es hatte für mich damals keine Bedeutung, dass der
Name unserer Kleinstadt drei Mal geschrieben stand, auf Serbokroatisch, in
kyrillischen Buchstaben, auf Ungarisch.
Dalibor
Er steht vor der Theke, fragt,
hast du Arbeit? Ich antworte mit ja, das siehst du doch. Er bleibt stehen, hat
meinen unbeholfenen Scherz offenbar nicht verstanden, und ich sage, dass er
sich an den Personaltisch setzen solle, deute auf Tisch Nummer eins, direkt
neben dem Buffet, und er, er dreht sich von mir weg, schaut einen Moment lang
auf den ihm zugewiesenen Platz und setzt sich dann so hin, dass er mich sehen
kann. Willst du etwas trinken, frage ich ihn über die Theke hinweg, und er
zuckt mit den Schultern, scheint nicht viel zu verstehen, denke ich und bringe
ihm einen Kaffee. Thanks, sagt er, lächelt nicht, und ich versuche ihm mit Handzeichen klarzumachen,
dass ich die Chefin holen werde. Do you speak English, fragt er, yes! (und mein Kopf schämt sich,
weil Englisch nicht die Sprache ist, die ich ihm zugetraut hätte), wait a moment, sage ich, why not, gibt er zur Antwort (und mein
Kopf schämt sich weiter, weil er nicht weiss, wohin er schauen soll, aber die
Beine, die setzen sich in Bewegung, automatisch).
Ich klopfe an die Bürotür,
sage meiner Mutter, dass jemand da sei, der Arbeit suche, meine Mutter, die
gerade die senfgelben Tischtücher bügelt, ihre ganze Aufmerksamkeit dem Leinen
schenkt (und wahrscheinlich werde ich nie vergessen, wie diese Mischung aus
Dampf, Leinen und menschlicher Anstrengung riecht), Mutter, es ist jemand da,
der sich bei dir vorstellen möchte, sage ich; die Chefin, die jetzt ihren Kopf
langsam hebt, von einer langen Reise zurückzukehren scheint, wir brauchen
niemanden, das weisst du doch, ja, das weiss ich, denke
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