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About a Boy

About a Boy

Titel: About a Boy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Hornby
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würde froh sein, wenn Marcus irgendwo einen anderen Lebensinhalt fand. Beim dritten oder vierten Besuch fragte er Marcus nach Fiona und wünschte sich nachher, er hätte es nicht getan, weil nicht zu übersehen war, dass es dem Jungen immer noch schwer zu schaffen machte. Will konnte es ihm nicht verübeln, doch ihm fiel nichts Tröstliches oder Hilfreiches ein, also fluchte er schließlich nur teilnahmsvoll und - wenn man Marcus’ Alter bedachte - deplaziert. Diesen Fehler würde Will nicht wieder machen. Falls Marcus über seine selbstmordgefährdete Mutter sprechen wollte, konnte er das mit Suzie, mit einer Schulpsychologin oder sonst wem tun, mit jemandem, dem dazu etwas mehr als ein Kraftausdruck einfiel.

    Das Dumme war, dass Will sich sein ganzes Leben lang um jede Realität herumgedrückt hatte. Schließlich war er Sohn und Erbe des Mannes, der »Santa’s Super Sleigh« geschrieben hatte. Der Weihnachtsmann, an dessen Existenz die meisten Erwachsenen berechtigte Zweifel hegten, kam für alles auf, was er aß und trank, worauf er saß und worin er lebte; man konnte getrost sagen, dass er die Realität nicht mit der Muttermilch aufgesogen hatte. Er sah die harte Wirklichkeit gerne in East enders und The Bill, und er hörte Joe Strummer, Curtis Mayfield und Kurt Cobain gerne über irgendeine harte Wirklichkeit singen, aber noch nie hatte die harte Wirklichkeit auf seinem Sofa gesessen. Kein Wunder also, dass er, nachdem er ihr eine Tasse Tee gemacht und einen Keks angeboten hatte, nichts mehr mit ihr anzufangen wusste.
    Manchmal gelang ihnen ein Gespräch über Marcus’ Leben, ohne die Zwillingsdesaster Schule und Zuhause zu berühren. »Mein Dad trinkt jetzt keinen Kaffee mehr«, sagte Marcus an einem Abend plötzlich, nachdem Will über eine Koffeinvergiftung geklagt hatte (das Berufsrisiko des Nichtstuers, wie er vermutete).
    Will hatte sich nie viele Gedanken über den Vater von Marcus
gemacht. Marcus schien so sehr das Produkt seiner Mutter zu
sein, dass die Vorstellung, er könne einen Vater haben, gera
dezu absurd wirkte.
»Was macht denn dein Vater?«
»Er ist Sozialarbeiter in Cambridge.«
    Das passte wie die Faust aufs Auge. Diese Leute stammten samt und sonders aus einem anderen Land, einem Land, das voll von Dingen war, die Will nicht kannte und nicht brauchen konnte, Musiktherapeuten etwa, Streetworkern, Bioläden mit Pinnwänden, Duftölen, kunterbunten Pullovern und komplizierten europäischen Romanen und Gefühlen; Marcus war die Frucht ihrer Lenden. »Und was macht er da?« »Weiß nich. Er verdient aber nicht viel.« »Siehst du ihn oft?«
    »Ziemlich oft. Manchmal am Wochenende. In den großen Ferien. Er hat eine Freundin, die Lindsey heißt. Sie ist nett.« »Oh.«
    »Soll ich noch mehr über ihn erzählen?«, fragte Marcus hilfsbereit. »Mach’ ich, wenn du willst.« »Willst du denn noch mehr über ihn erzählen?« »Ja. Wir reden zu Hause nicht viel über ihn.« »Und, was willst du sagen?«
    »Weiß nich. Ich könnte dir sagen, was für ein Auto er hat und ob er raucht.«
    »Okay, raucht er?« Will ließ sich durch die etwas exzentrischen Sprünge in Marcus’ Konversation nicht mehr aus dem Konzept bringen.
    »Nein. Hat er aufgegeben«, sagte Marcus so triumphierend, als
    sei ihm Will in die Falle getappt.
»Ah.«
»Ist ihm aber schwer gefallen.«
»Darauf wette ich. Fehlt dir dein Vater?«
»Wie meinst du das?«
    »Na ja, du weißt schon … Keine Ahnung … Fehlt er dir? Du weißt doch, wie ich das meine.«
    »Ich sehe ihn doch. Wie kann ich ihn da vermissen?«
»Würdest du ihn gerne öfter sehen?«
»Nein.«
»Oh. Na dann … «
»Kann ich noch eine Cola haben?«

    Will verstand zuerst nicht, warum Marcus auf seinen Vater zu sprechen gekommen war, aber es war schon viel wert, über etwas zu reden, das Marcus nicht an die schrecklichen Miseren in seiner unmittelbaren Umgebung erinnerte. Der Triumph über das Nikotin war zwar nicht Marcus’ persönlicher Triumph, kam dem aber noch am nächsten, da ihm sein eigenes Leben zur Zeit noch weniger zu bieten hatte.
    Will sah, wie traurig das war, aber er sah auch, dass es nicht sein Problem war. Kein Problem war sein Problem. Sehr wenige Menschen waren in der glücklichen Lage, sagen zu können, dass sie keine Probleme hatten - aber auch das war nicht sein Problem. Will sah darin keinen Grund, sich zu schämen, sondern einen Anlass zu wilden, zügellosen Feiern; sechsunddreißig Jahre alt geworden zu sein, ohne je ernsthaften

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