About a Boy
mit den Schuhen zu
tun, die du trägst, das sage ich dir gratis.« »Nein, ich weiß, aber … «
»Marcus, vertrau mir, okay? Ich bin seit zwölf Jahren deine Mutter. Und ich mache meine Sache nicht allzu schlecht. Ich denke mir etwas dabei. Ich weiß, was ich tue.«
So hatte Marcus seine Mutter noch nie betrachtet, als jemanden, der wusste, was er tat. Er hatte auch nie geglaubt, dass sie nicht wusste, was sie tat; es war nur so, dass das, was sie mit ihm tat (was sie für ihn tat? was sie ihm antat?), nie im Geringsten diesen Eindruck gemacht hatte. Er hatte das Muttersein immer als etwas Selbstverständliches betrachtet, so wie Auto fahren zum Beispiel: Die meisten Leute konnten es, und etwas falsch machen konnte man dabei nur, wenn man sich ganz blöd anstellte, wenn man sein Auto gegen einen Bus fuhr oder seinen Kindern nicht beibrachte, bitte und danke und Entschuldigung zu sagen (an der Schule gab es eine Menge Kinder - Kinder, die klauten und schmutzige Wörter sagten und andere Kinder herumschubsten -, deren Mütter und Väter einiges zu erklären hatten). Und so gesehen gab es dabei nicht sehr viel zu denken. Aber seine Mutter schien sagen zu wollen, dass mehr dazu gehörte. Sie sagte ihm, dass sie einem Plan folgte.
Wenn sie einen Plan hatte, dann hatte er eine Wahl. Er konnte ihr vertrauen, ihr glauben, wenn sie sagte, sie wisse, was sie tue; das würde bedeuten, sich mit den Sachen in der Schule abzufinden, weil am Ende alles gut werden würde und sie mehr wusste als er. Oder er konnte entscheiden, dass sie tatsächlich nicht ganz dicht war, dass sie ein Mensch war, der eine Überdosis Schlaftabletten nahm und das anschließend offenbar völlig vergaß. Beides war gleich beängstigend. Er wollte sich nicht mit seiner Lage abfinden, aber wenn er sich dagegen entschied, bedeutete das für ihn, seine eigene Mutter sein zu müssen, und wie konnte man seine eigene Mutter sein, wenn man erst zwölf war? Er konnte sich selbst beibringen, Entschuldigung und bitte und danke zu sagen, das war leicht, aber mit dem Rest war er überfordert. Er wusste gar nicht, was der Rest war. Er hatte bis heute ja nicht einmal gewusst, dass es einen Rest gab.
Jedes Mal, wenn er darüber nachdachte, kam er auf dasselbe Problem zurück: Sie waren nur zu zweit, und mindestens -mi ndestens einer von ihnen war übergeschnappt.
In den nächsten paar Tagen begann er genauer darauf zu achten, wie Fiona mit ihm redete. Immer wenn sie davon sprach, was er sehen oder hören oder lesen oder essen konnte und sollte, wurde er neugierig: Gehörte das zum Plan, oder dachte sie es sich einfach je nach Bedarf aus? Es kam ihm nie in den Sinn, sie zu fragen, bis sie ihn in den Laden schickte, um Eier fürs Abendessen zu holen: Ihm ging auf, dass er nur Vegetarier war, weil sie es auch war.
»Wusstest du immer schon, dass ich Vegetarier werde?« Sie lachte. »Natürlich. Das war keine plötzliche Schnapsidee, weil uns die Würstchen ausgegangen waren.« »Und findest du das fair?« »Wie meinst du das?«
»Muss ich nicht das Recht haben, mich selbst zu entscheiden?«
»Das kannst du, wenn du älter bist.«
»Warum bin ich jetzt nicht alt genug?«
»Weil du nicht selbst kochst. Ich will kein Fleisch kochen, also musst du essen, was ich esse.«
»Aber du lässt mich auch nicht zu McDonald’s gehen.« »Soll das eine vorgezogene Teenagerrebellion werden? Ich kann dich nicht daran hindern, zu McDonald’s zu gehen.« »Echt?«
»Wie könnte ich das? Ich wäre bloß enttäuscht, wenn du hin
gingst.«
Enttäuscht. Enttäuschung. So machte sie es. So machte sie
viele Dinge.
»Warum?«
»Ich dachte, du wärst aus Überzeugung Vegetarier.« »Bin ich ja.«
»Na, dann kannst du nicht zu McDonald’s gehen, oder?« Sie hatte es schon wieder gemacht. Sie sagte ihm immer, er dürfe tun, was er wolle, und dann diskutierte sie mit ihm, bis das, was er wollte, wieder das war, was sie wollte. Das machte ihn langsam sauer. »Das ist nicht fair.«
Sie lachte. »So ist das Leben, Marcus. Du musst dir darüber klar werden, an was du glaubst, und dann musst du dich daran halten. Das ist hart, aber es ist nicht unfair. Zumindest ist es einfach zu verstehen.«
Irgendetwas daran stimmte nicht, aber er wusste nicht, was. Er wusste nur, dass nicht jeder so dachte. Wenn sie in der Klasse über Dinge wie das Rauchen redeten, waren sich alle einig, dass es schlecht war, aber trotzdem rauchten viele Kinder; wenn sie über Gewaltfilme sprachen, sagten alle, sie
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