About a Boy
vorteilhafteren Licht präsentieren, ihn etwas vielschichtiger wirken lassen würde? »Weiß auch nicht, warum.« Dann also keine Story. Na schön. Die Wahrheit war, dass er keine Ahnung hatte, warum sie in Kontakt geblieben waren. Sie kamen ganz gut miteinander aus, aber Robert war mit jedem aus der alten Clique ganz gut ausgekommen, und Will hatte nie so ganz verstanden, warum ausgerechnet er den unvermeidlichen Kahlschlag beim Karrierewechsel überlebt hatte. Vielleicht - es klang zwar paranoid, aber er war sicher, dass ein Körnchen Wahrheit darin steckte - war er gerade die richtige Verlierergestalt, um den hier Anwesenden vor Augen zu führen, dass Robert nicht immer Medienmensch gewesen war, aber noch vorzeigbar genug, um sie nicht alle zu verschrecken.
Damit war Rachel ihm entwischt, für den Moment zumindest. Sie redete mit dem Menschen, der an ihrer anderen Seite saß. Womit konnte er sie wieder ködern? Er musste doch das ein oder andere Talent haben, das er irgendwie übertreiben und dramatisieren konnte. Kochen? Er konnte ein bisschen kochen, aber wer konnte das nicht? Schrieb er vielleicht gerade an einem Roman und hatte es nur vergessen? Worin war er in der Schule gut gewesen?
In Rechtschreibung. »He, Rachel, mit wie vielen h schreibt man ›Rhythmus‹?« Wahrscheinlich wusste sie das selbst. Es war hoffnungslos. Das Interessanteste in seinem Leben, wurde ihm klar, war Marcus. Das war etwas, das ihn anders machte. »Entschuldige, wenn ich mich einmische, Rachel, aber ich habe da so eine verrückte Beziehung zu einem zwölfjährigen Jungen. Bringt dir das irgendwas?« Na schön, er musste noch ein bisschen daran arbeiten, aber das Material war definitiv vorhanden. Er musste es nur noch ausfeilen. Er schwor sich, Marcus bei der ersten Gelegenheit ins Gespräch zu bringen.
Rachel hatte gemerkt, dass er mit niemandem sprach, und schwenkte herum, damit er sich an einem Gespräch beteiligen konnte, in dem es darum ging, ob es irgendwas Neues auf der Welt gebe, besonders hinsichtlich zeitgenössischer Popmusik. Rachel erklärte, dass Nirvana für sie genau wie Led Zeppelin klinge. »Ich kenne einen Zwölfjährigen, der dich dafür töten würde«, erwiderte Will. Natürlich stimmte das nicht. Noch vor wenigen Wochen hatte Marcus geglaubt, der Sänger von Nirvana würde für Manchester United spielen, daher war er wahrscheinlich noch nicht in dem Stadium, Leute kaltmachen zu wollen, nur weil sie der Band vorwarfen, eine billige Kopie zu sein.
»Ich auch, na so ein Zufall«, sagte Rachel. »Vielleicht sollten sie sich kennen lernen. Wie heißt deiner?«
Genau genommen ist er nicht meiner, dachte Will. »Marcus«,
sagte er.
»Meiner heißt Ali. Alistair.«
»Ah, ja.«
»Und steht Marcus auch auf Skateboards und Rap und Die Simpsons und so was alles?«
Will verdrehte mit einem nachsichtigen kleinen Lachen die Augen, damit war dieses Missverständnis zementiert. Es war nicht seine Schuld, wie das Gespräch verlaufen war. Er hatte geschlagene anderthalb Minuten nicht ein einziges Mal gelogen. Nun gut, als er gesagt hatte, Marcus würde sie umbringen, war das noch bildlicher gesprochen, als die Redewendung ohnehin schon gemeint war. Und, ja, aus dem Augenaufschlag und dem nachsichtigen kleinen Lachen konnte man ein gewisses Maß an väterlichem Stolz herauslesen. Aber er hatte nicht direkt behauptet, Marcus sei sein Sohn. Das war zu hundert Prozent ihre Interpretation. Zu mehr als fünfzig Prozent auf jeden Fall. Aber es war ganz bestimmt nicht so wie die SPAT-Aktion, wo er einen geschlagenen Abend lang eiskalt gelogen hatte.
»Ist Marcus’ Mutter denn heute Abend auch hier?« »Ähhh … « Will schaute sich suchend am Esstisch um, als müsse er sich erst vergewissern, ob sie da war oder nicht. »Nein.« Nicht gelogen! Nicht gelogen! Marcus’ Mutter war nicht da! »Du verbringst Silvester nicht mit ihr?«
Rachel machte schmale Augen und sah ihn über ihre Nasenspitze hinweg an, um zu zeigen, dass ihr bewusst war, eine Suggestivfrage gestellt zu haben. »Nein, wir … äh … leben nicht zusammen.« Das Die-Wahrheit-Sagen lief jetzt wie geschmiert, hatte er den Eindruck. Wenn überhaupt, war er vom Lügen direkt zum Understatement umgeschwenkt, denn er lebte derzeit nicht nur nicht mit Fiona zusammen, sondern hatte nie mit ihr zusammengelebt und auch nicht die Absicht, das irgendwann zu tun. »Das tut mir Leid.«
»Macht doch nichts. Wie sieht’s mit Alis Dad aus?« »Nicht hier am Tisch. Nicht in
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