About a Boy
heruntergewürgt
hatte.
»Bist du da sicher?«
»Na ja«, meinte er, »nicht hundertprozentig.« Er wusste, wie idiotisch das klang, und wurde rot, aber dann brach Ellie in schallendes Gelächter aus. Er hatte vergessen, dass er Ellie immer so zum Lachen brachte, und er war dankbar dafür. »Entschuldige, Marcus. Ich weiß, das ist eine ernste Sache, aber du bist wirklich witzig.«
Er begann auch zu lachen, ein abruptes, unkontrollierbares Kichern, das nach Erbrochenem und Sherry schmeckte. Marcus hatte vorher noch nie ein richtiges Gespräch mit jemandem in seinem Alter geführt. Er hatte natürlich richtige Gespräche mit seiner Mutter und seinem Vater und irgendwie auch mit Will geführt, aber bei solchen Leuten war man auf ernsthafte Gespräche gefasst und musste sich trotzdem in Acht nehmen, was man sagte. Mit Ellie war das anders, viel leichter, obwohl sie a) ein Mädchen, b) älter als er und c) unheimlich war.
Wie sich zeigte, wusste sie es schon ewig: Sie hatte ein Gespräch zwischen ihrer Mutter und Suzie mitbekommen, kurz nachdem es passiert war, aber erst viel später den Zusammenhang erkannt.
»Und weißt du, was ich gedacht habe? Heute kommt mir das schrecklich vor, aber ich dachte einfach: Warum soll sie sich nicht umbringen, wenn sie unbedingt will?« »Aber sie hat doch mich.« »Damals kannte ich dich noch nicht.«
»Ja, aber ich meine, wie würde es dir gefallen, wenn deine Mutter sich umbringen wollte?«
Ellie grinste. »Wie mir das gefallen würde? Es würde mir nicht gefallen. Weil ich meine Mutter mag. Aber trotzdem. Schließlich ist es ihr Leben.«
Marcus dachte darüber nach. Er hatte keine Ahnung, ob das Leben seiner Mutter ihr allein gehörte oder nicht. »Und was ist, wenn man Kinder hat? Dann ist es doch nicht mehr nur dein Leben, oder?«
»Dein Vater ist doch auch noch da, oder? Er hätte sich dann um
dich gekümmert.«
»Schon, aber … « An dem, was Ellie sagte, stimmte irgendetwas nicht. Bei ihr hörte sich das an, als könnte seine Mutter sich einen Schnupfen holen und er müsste dann eben mit seinem Vater ins Schwimmbad gehen.
»Verstehst du, wenn dein Vater sich umbringen würde, würde doch auch niemand sagen, o Gott, er hat doch einen Sohn, für den er sorgen muss. Aber wenn Frauen so was machen, regen sich die Leute auf. Das ist unfair.«
»Das ist doch nur, weil ich bei meiner Mutter lebe. Würde ich bei meinem Vater leben, würde ihm sein Leben auch nicht mehr alleine gehören.«
»Aber du lebst nicht bei deinem Vater, oder? Wie viele von uns tun das schon? An unserer Schule sind zigtausend Kinder, deren Eltern auseinander sind. Und keins davon lebt bei seinem Vater.« »Doch, Stephen Wood.«
»Gut, stimmt, Stephen Wood. Du hast gewonnen.« Obwohl das Gesprächsthema deprimierend war, genoss Marcus die Unterhaltung. Sie wirkte riesengroß, als könne man um sie herumgehen und immer wieder etwas Neues entdecken, und das erlebte man normalerweise nie, wenn man mit Gleichaltrigen redete. »Hast du gestern To p of the Pops gese hen?« Was gab es da groß nachzudenken? Man sagte ja oder nein, und das war’s. Jetzt verstand er, warum sich seine Mutter ihre Freunde aussuchte, anstatt sich mit den Erstbesten zufrieden zu geben, die ihr über den Weg liefen, oder sich an Leute zu halten, die für denselben Fußballverein waren oder dieselben Sachen trugen, wie das in der Schule üblich war. Seine Mutter führte sicher mit Suzie auch solche Gespräche wie dieses, Gespräche, die sich bewegten, Gespräche, in denen dich alles, was der andere sagte, weiterzubringen schien. Er wollte weiterreden, wusste aber nicht, wie, weil Ellie die Stichworte gab. Beim Antworten war er ganz gut, fand er, aber er bezweifelte, dass er je klug genug sein würde, Ellie so zum Nachdenken zu bringen wie sie ihn, und das jagte ihm einen kleinen Schreck ein: Er wünschte sich, sie wären gleich klug, aber das waren sie nicht und würden es wahrscheinlich nie sein, weil Ellie immer älter sein würde als er. Wenn er erst einmal zweiunddreißig und sie fünfunddreißig wäre, käme es vielleicht nicht mehr so darauf an, aber er hatte das Gefühl, wenn er nicht in den nächsten paar Minuten etwas wirklich Geistreiches sagte, würde er sie nicht für den Rest des Abends und schon gar nicht für die nächsten zwanzig Jahre halten können. Plötzlich fiel ihm das ein, was Jungs auf Parties Mädchen normalerweise fragten. Er wollte nicht fragen, weil er wusste, dass er überhaupt kein Talent dazu
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