About a Boy
nie den Kopf in den Gasofen steckst?«
»Keine Ahnung. Es gibt immer ein neues Nirvana-Album, auf das man sich freuen kann, oder Emer gency Room ist gerade so spannend, dass man die nächste Folge nicht verpassen will.« »Eben.«
»Das ist der Sinn? Emer geney Room? Großer Gott.« Es war schlimmer, als er befürchtet hatte.
»Nein, nein. Der Sinn ist, dass du weiterlebst. Du willst es. Und deswegen sind alle Sachen, die dich weiterleben lassen wollen, der Sinn. Ich weiß nicht, ob es dir selbst bewusst ist, aber insgeheim findest du das Leben gar nicht so übel. Es gibt Dinge, die du liebst. Fernsehen. Musik. Essen.« Sie blickte ihn an. »Frauen wahrscheinlich. Und das heißt ja wohl, Sex magst du auch.«
»Ja.« Er sagte das etwas mürrisch, als sei sie ihm irgendwie auf die Schliche gekommen, und sie grinste.
»Mich stört das nicht. Leute, die Sex mögen, sind normalerweise auch ziemlich gut darin. Egal. Ich bin genauso. Ich meine, auch ich liebe bestimmte Dinge, ganz andere als du. Gedichte. Gemälde. Meine Arbeit. Männer und Sex. Meine Freunde. Ali. Ich möchte erleben, was Ali morgen wieder anstellt.« Sie begann an ihrem Plätzchen zu knibbeln und brach es in zwei Hälften, um an die Füllung zu kommen, doch das Plätzchen war zu trocken und zerbröckelte.
»Vor ein paar Jahren zum Beispiel war ich wirklich total am
Boden, und ich dachte an … du weißt schon, an das, was du glaubst, woran Fiona jetzt denkt. Und ich hatte deswegen wirklich ein schlechtes Gewissen, wegen Ali, und ich wusste, dass ich an so was nicht mal denken durfte, aber ich tat es doch. Na, jedenfalls hieß es immer, heute noch nicht. Vielleicht morgen, aber heute noch nicht. Und nachdem das ein paar Wochen so gegangen war, wurde mir klar, dass ich es niemals tun würde, und der Grund dafür war einfach, dass ich nichts verpassen wollte. Es war nicht so, dass ich das Leben toll fand und unbedingt daran teilhaben wollte. Nur gab es immer noch ein oder zwei unerledigte Sachen, die ich erst zu Ende bringen wollte. So wie du die nächste Folge von Emer gency Room sehen willst. Wenn ich gerade mit der Arbeit für ein Buch fertig war, wollte ich noch die Veröffentlichung abwarten. Wenn ich mit einem Typ ging, wollte ich noch ein letztes Date. Wenn bei Ali eine Elternsprechstunde anstand, wollte ich noch mit seinem Klassenlehrer sprechen. Kleinigkeiten wie diese, aber irgendwas war immer. Und am Schluss begriff ich, dass es immer etwas geben würde und dass solche Dinge schon genügten.«
Sie schaute von den Überresten ihres Plätzchens auf und lachte verlegen. »So sehe ich das jedenfalls.« »Solche Dinge muss es für Fiona auch geben.«
»Na ja, ich weiß nicht. Hört sich nicht so an, als hätte Fiona zur Zeit besonders viel Glück. Das braucht man natürlich auch.«
War das wirklich alles? Wahrscheinlich nicht, dachte Will. Wahrscheinlich fehlte da noch alles Mögliche - etwas darüber, wie einem Depressionen einfach alles verleideten, selbst die Dinge, die man liebte; und etwas über Vereinsamung, Angstzustände und völlige Orientierungslosigkeit. Aber Rachels unkomplizierter Optimismus hatte durchaus etwas für sich, und auf jeden Fall bekam das Gespräch über den Sinn seinen eige
nen Sinn, denn es entstand eine Pause, Rachel blickte ihn an, und dann küssten sie sich.
»Soll ich nicht mal mit ihr reden?«, sagte Rachel. Das waren die ersten Worte, die danach fielen, auch wenn währenddessen so einiges gesagt worden war, und im ersten Augenblick verstand Will überhaupt nicht, was sie meinte: Er suchte zuerst nach dem logischen Zusammenhang mit irgendetwas, das in den vergangenen dreißig Minuten passiert war, einer halben Stunde, nach der ihm etwas wacklig zumute war und beinahe die Tränen in den Augen standen und die ihn dazu gebracht hatte, seine bisherige Überzeugung zu überdenken, Sex sei eine tolle sündige Alternative zu Alkohol, Drogen und einem wilden Abend in der Stadt, aber mehr auch nicht. »Du? Dich kennt sie doch gar nicht.«
»Das macht doch nichts. Ist vielleicht sogar besser. Vielleicht kriegst du es ja selber hin, wenn ich dir zeige, wie es geht. Ist gar nicht so schwer.«
»Okay.« In Rachels Stimme schwang etwas mit, das Will nicht ganz klar heraushören konnte, aber in diesem Moment wollte er nicht an Fiona denken, also versuchte er es erst gar nicht. Er konnte sich nicht erinnern, jemals so glücklich gewesen zu sein.
31
Marcus konnte sich nur schwer an den Gedanken gewöhnen, dass der
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