About a Boy
Winter vorbei war. So ziemlich alles, was Marcus in London erlebt hatte, hatte sich in Dunkelheit und Nässe abgespielt (ganz zu Anfang des Schuljahres musste es ein paar wenige helle Abende gegeben haben, aber seitdem war so viel geschehen, dass er keinerlei Erinnerung mehr daran hatte), und jetzt konnte er von Will aus im Sonnenschein der Spätnachmittage nach Hause gehen. In der ersten Woche, nachdem die Uhren vorgestellt worden waren, war es schwer, nicht zu glauben, alles sei wunderbar. Es war lächerlich einfach, sich einzubilden, dass es seiner Mutter bald besser gehen würde, dass er plötzlich drei Jahre älter sein würde und cool genug, damit Ellie ihn mochte, und dass er den Siegtreffer für die Fußballmannschaft der Schule erzielen und so zum beliebtesten Menschen der ganzen Schule werden würde.
Aber das war dumm, genau wie Sternzeichen seiner Meinung nach dumm waren. Die Uhren waren für alle vorgestellt worden, nicht nur für ihn, und es war unmöglich, dass alle depressiven Mütter ihre gute Laune wiederfinden würden, es war unmöglich, dass jeder Junge in England das Siegtor für die Schulmannschaft schießen würde - schon gar nicht jeder der Jungen, die Fußball hassten und bei einem Ball nicht wussten, wo vorne und hinten ist -, und es war völlig unmöglich, dass jeder Zwölfjährige über Nacht fünfzehn wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch nur einem Einzigen von ihnen so ging, war äußerst gering, und selbst wenn, dann bestimmt nicht Marcus, bei dem Glück, das er immer hatte. Es würde einem anderen Zwölfjährigen an einer anderen Schule passieren, der nicht in ein drei Jahre älteres Mädchen verliebt war und dem es darum nicht einmal viel bedeuten würde. Es machte Marcus sauer, sich diese schreiende Ungerechtigkeit vorzustellen, und er unterstrich seine Ankunft zu Hause mit einem wütenden Türknallen.
»Bist du bei Will gewesen?«, fragte ihn seine Mutter. Sie sah ganz okay aus. Vielleicht war ja einer der Sommerzeitwünsche in Erfüllung gegangen.
»Ja. Ich wollte … « Er hatte immer noch das Gefühl, sich gute Gründe ausdenken zu müssen, warum er hinging, und es fielen ihm nach wie vor keine ein.
»Das ist mir jetzt egal. Dein Vater hat sich verletzt. Du musst
ihn besuchen fahren. Er ist vom Fensterbrett gefallen.«
»Ich fahre nicht weg, solange du so bist.«
»Solange ich wie bin?«
»Immer am Heulen.«
»Mir geht’s gut. Na ja, gut gerade nicht, aber ich werde nichts
anstellen. Ehrenwort.«
»Geht es ihm wirklich schlecht?«
»Er hat sich das Schlüsselbein gebrochen. Und er hat eine kleine Gehirnerschütterung.«
Er war von einem Fensterbrett gefallen. Kein Wunder, dass seine Mutter bessere Laune hatte. »Was wollte er denn auf dem Fensterbrett?«
»Irgendein Heimwerkerkram. Abbeizen oder Abschmirgeln
oder sonst so ein Scrabble-Wort. Sein erster Versuch. Das wird
ihm eine Lehre sein.«
»Und warum muss ich hinfahren?«
»Er hat nach dir gefragt. Ich vermute, er ist zur Zeit ein biss
chen Lala.«
»Na, besten Dank.«
»Oh, Marcus, tut mir Leid, natürlich hat er nicht deshalb nach dir gefragt. Ich wollte nur sagen … Ich glaube, er hat so ein bisschen das heulende Elend. Lindsey sagte, er hätte Glück gehabt, dass ihm nichts Schlimmeres passiert ist, und da hat er wahrscheinlich die große Sinnkrise bekommen.« »Der soll sich verpissen.« »Marcus!«
Aber Marcus wollte nicht darüber diskutieren, wo und warum er zu fluchen gelernt hatte, er wollte auf sein Zimmer gehen und schmollen, und genau das tat er auch.
Da hat er die große Sinnkrise bekommen … Das war es, was Marcus so wütend gemacht hatte, und nun wollte er herausfinden, warum. Wenn er wirklich wollte, war er ganz gut darin: Er hatte in seinem Zimmer einen alten Sitzsack, auf den hockte er sich und starrte an die Wand, an der er ein paar interessante Zeitungsausschnitte aufgehängt hatte. ›MANN ÜBERLEBT STURZ AUS ZWEITAUSEND METER‹, ›DINOSAURIERSTERBEN DURCH METEOR AUSGELÖST?‹. Wegen solcher Dinge bekam man die Sinnkrise, nicht, weil man vom Fensterbrett fiel, während man den Bilderbuchpapi spielte. Warum hatte er nicht schon früher die Sinnkrise bekommen, ohne dass er erst vom Fensterbrett fallen musste? Während des vergangenen Jahres schienen alle anderen unentwegt Sinnkrisen zu haben, abgesehen von seinem Vater (so wie es aussah). Seine Mutter zum Beispiel hatte dauernd die Sinnkrise, wahrscheinlich musste man sich deshalb ständig solche Sorgen um sie machen. Und warum wollte
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