About Ruby
lästige Vermieter – hatteich selbst einmal perfekt draufgehabt, vor langer, langer Zeit. »Ruby«, sagte er leise. »Hi. Was tust du hier?«
Da hörte ich seinen Vater aus einem der hinteren Zimmer; sein Gebrüll drang durch die Wand, die es kaum dämpfte. Ich schluckte. Antwortete: »Jamie hat Weihnachtsgeschenke verteilt, und ich dachte bloß –«
»Ist gerade nicht so günstig«, meinte er. Nebenan ertönte ein vernehmlicher Knall, vielmehr ein dumpfes Geräusch. »Ich rufe dich später an, okay?«
»Alles klar bei dir?«, fragte ich.
»Mir geht es gut.«
»Nate –«
Er schnitt mir das Wort ab: »Wirklich. Aber ich kann jetzt nicht reden.« Er schob die Tür weiter zu, ich konnte ihn durch den Spalt kaum noch sehen. »Bis morgen.«
Eine Chance zu antworten erhielt ich nicht mehr, denn die Tür schloss sich mit einem abrupten
Klack
. Ich stand wie angewurzelt da, mein Mund fühlte sich plötzlich total trocken an. Was sollte ich jetzt bloß machen?
Mir geht es gut
, hatte er gesagt. Ich streckte die Hand aus, legte sie um den Türknauf, drehte. Da stand ich nun, endlich bereit, seine Nähe zuzulassen. Und war plötzlich diejenige, die zurückgewiesen wurde.
Ich
wollte die Tür öffnen, doch sie wurde mir vor der Nase zugeschlagen.
»Hey!«, rief Jamie hinter mir. Ich wandte mich zu ihm um. Er und Roscoe näherten sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite. »Sind die beiden zu Hause?«
Sag was
, dachte ich. Und während ich fieberhaft versuchte, mir etwas – irgendetwas – einfallen zu lassen, schoss mir durch den Kopf, dass Nate mich an Thanksgiving, in der Garage, indirekt gebeten hatte, nicht groß rumzutratschen, was er mir anvertraut hatte.
Also verstehst du mich doch, oder
etwa nicht?
Wollte ich etwa so sein wie die Honeycutts, die einfach irgendwo reintrampelten und alles kaputt machten? Das konnte ich doch nicht bringen, selbst wenn ich es für das einzig Richtige hielt. Oder? Jamie kam bereits die Auffahrt hoch; Roscoe lief, an der Leine zerrend, vor ihm her. Ich musste eine Entscheidung treffen. Sofort.
»Sie sind nicht daheim«, sagte ich und ging die Stufen von der vorderen Veranda hinunter. Die Schachtel mit den Spazierstockbonbons steckte noch in meiner Tasche. Ich schob die Hand hinein, umfasste sie. Es fühlte sich beinahe so an, als liege eine andere Hand in meiner. »Lass uns gehen.«
Kapitel dreizehn
Ich war noch lange wach in der Nacht. Allerdings wartete ich nicht auf den Weihnachtsmann, sondern lag auf meinem Bett und sah zu, wie die Lichter aus Nates Pool über die Baumwipfel tanzten, ähnlich wie an meinem ersten Abend in Coras Haus. Ich überlegte, ob ich heimlich hinübergehen und nachschauen sollte, ob wirklich alles in Ordnung war mit ihm, stand auch mehrmals kurz davor. Doch dann fiel mir wieder ein, wie Nate die Tür direkt von meiner Nase geschlossen hatte, wie das Schloss unmissverständlich eingerastet war. Und ich blieb liegen.
Am nächsten Morgen bekam ich einen neuen Rucksack, ein paar CDs, Bücher, einen Laptop. Cora bekam ihre Tage.
»Alles okay, alles okay«, hatte sie gestammelt, als ich sie auf ihrem Bett fand, wohin sie sich zum Weinen zurückgezogen hatte. Gleich nachdem wir die Geschenke ausgepackt hatten. »Ehrlich.«
»Schatz!« Jamie gesellte sich ebenfalls zu uns, setzte sich neben sie, legte den Arm um ihre Schulter. »Nimm’s nicht so schwer. Das wird schon.«
»Ich weiß«, sagte sie mit erstickter Stimme, wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »Es ist bloß so . . . also, diesen Monat dachte ich wirklich, es hätte geklappt. Und ich weiß ja, ich bin bescheuert . . .«
»Bist du
nicht
.« Jamie strich ihr sanft übers Haar.
». . . aber irgendwie hatte ich mir schon ausgemalt, wie toll es wäre, wenn ich genau heute einen Test machen würde und er wäre positiv und damit könnte ich euch überraschen, und wie es das beste Geschenk sein würde, das wir je –« Sie hielt inne, atmete zittrig durch, wieder füllten ihre Augen sich mit Tränen. »Aber es sollte nicht sein. Ich bin nicht schwanger. Schon wieder nicht.«
»Cora . . .«
»Ich weiß.« Sie machte eine abwehrende Geste. »Es ist Weihnachten, uns geht es supergut, wir haben so ein schönes Leben, ein Dach über dem Kopf, lauter Dinge, die andere Menschen sich sehnlich wünschen. Trotzdem wünsche ich mir eben
das
. Aber so sehr ich auch möchte, ich bekomme es einfach nicht. Es ist so . . .« Sie ließ den Satz in der Luft hängen, wischte sich
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