About Ruby
hatte gar keine andere Wahl. Du schon.«
»Es geht überhaupt nicht um dreißig Stunden.«
Sie blickte mich scharf an; ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, begriff ich eben nicht, was sie mir sagen wollte. »Ruby, wir würden das einfach gern für dich tun, okay? Wir möchten dich unterstützen. Du musst das Ganze nicht schwerer machen, als es sowieso schon ist, nur weil du dir und uns etwas beweisen willst.«
Ich öffnete den Mund, um ihr klipp und klar zu sagen, dass ich sie nie darum gebeten hatte, sich wegen meiner Zukunft den Kopf zu zerbrechen. Oder meine Probleme zu ihren zu machen. Dass ich fast achtzehn war und absolut allein imstande, selbst zu beurteilen, was ich hinkriegte und was nicht. Und dass sie nach einer Woche unverhofftem Kontakt mit mir weder meine Mutter noch mein Vormund war, nur weil es vielleicht auf einem Stück Papier stand.
Doch während ich noch Luft holte, um all das loszuwerden, fielen mir wieder ihre rot geweinten Augen auf. Und ich bremste mich. Es war ein langer Tag gewesen, für uns beide. Und wenn ich dieses Fass jetzt aufmachte, würde er noch länger werden.
»Okay«, sagte ich deshalb. »Wir reden noch mal darüber, einverstanden? Aber nicht jetzt. Später. Okay?«
Cora wirkte überrascht. Ganz offensichtlich hatte sie nicht damit gerechnet, dass ich – zumindest halbherzig – zustimmen würde,
nicht einmal provisorisch.
»Okay«, erwiderte sie. Schluckte. Blickte wieder auf das muntere Treiben im unteren Stockwerk. »Falls du noch nichts gegessen hast – es gibt mehr als genug. Tut mir leid, dass wir dir nichts von der Party erzählt haben. Aber die letzten Tage waren ziemlich voll.«
»Schon in Ordnung«, sagte ich.
Sie sah mich noch einmal an, bevor sie schließlich meinte: »Na gut. Ich gehe besser wieder runter. Und du . . . Komm, wann immer du möchtest.«
Ich nickte. Sie ging um mich herum und die Treppe hinunter. Etwa auf der Mitte blieb sie stehen, drehte sich um, warf mir einen erneuten Blick zu. Mir war klar, dass sie sich nach wie vor fragte, warum ich plötzlich so friedlich gestimmt war. Aber ich konnte ihr natürlich nicht erzählen, dass ich sie belauscht hatte. Es ging mich nichts an, Punkt. Trotzdem dachte ich, während ich langsam auf mein Zimmer zusteuerte, darüber nach, was Denise gesagt hatte. Über die Ähnlichkeit, die ihr angeblich aufgefallen war. Vielleicht verband meine Schwester und mich doch mehr, als wir beide dachten. Beide warteten wir auf etwas, wünschten wir uns etwas, das wir nicht völlig im Griff hatten: Ich wollte allein sein – und sie das exakte Gegenteil. Es fühlte sich merkwürdig an, etwas so Unterschiedliches gemeinsam zu haben. Aber es war immerhin mehr als gar nichts.
***
». . . ich kann nur wiederholen: Akupunktur wirkt. Bitte? Nein, es tut nicht weh. Überhaupt nicht.«
». . . und das war’s. An dem Abend habe ich beschlossen, ich gehe auf kein Blind Date mehr. Und es ist mir egal, ob er Arzt ist.«
». . . nur vierzigtausend Kilometer, und die Werksgarantie gilt sogar noch. Ich meine, das wäre doch
geschenkt
!«
Seit etwa zwanzig Minuten lungerte ich nun auf der Party rum, nickte Leuten zu, die mir zunickten, und machte mich bereits über meinen zweiten Teller mit Gegrilltem, Kraut- und Kartoffelsalat her. Obwohl Jamies und Coras Freundeganz nett schienen, war ich damit zufrieden, mich mit niemandem unterhalten zu müssen. Bis ich eine Stimme hörte, die alle anderen übertönte.
»Roscoe!«
Jamie stand hinten im Garten, auf der entgegengesetzten Seite des Teichs, und spähte in die Dunkelheit. Ich lief zu ihm, wobei ich zum ersten Mal an diesem Abend in die Nähe des Teichs kam und ihn mir genauer anschauen konnte. Zu meiner Überraschung war er bereits gefüllt; auf einer Seite hing ein Gartenschlauch ins Wasser. Im Dunkeln kam er einem
noch
größer vor, und wie tief er war, hätte ich nicht zu sagen vermocht. Er sah jedenfalls so aus, als hätte er gar keinen Grund.
»Was ist los?«, fragte ich, als ich bei ihm ankam.
»Roscoe ist verschwunden«, antwortete er. »Das macht er gern. Menschenansammlungen passen ihm gar nicht. Er stellt sich nicht so an wie beim Feuermelder, trotzdem ist es ein Problem.«
Ich spähte ebenfalls in die Dunkelheit, wandte mich dann Richtung Teich. »Schwimmen kann er, oder?«, fragte ich.
Jamie sah mich erschrocken an. »Mist!«, meinte er. »Daran habe ich noch überhaupt nicht gedacht.«
»Ich bin mir sicher, er ist nicht reingefallen.« Prompt
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