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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Heather schloss die hintere Wagentür. »Trotzdem leben sie sich in der Regel gut ein. Viel eher müsstet ihr euch Sorgen wegen der Reiher und anderer Wasservögel machen. Sie können in einer einzigen Sturzattacke wirklich gewaltigen Schaden anrichten.«
    »Danke für deine Hilfe«, meinte Jamie, während er sich ans Steuer setzte.
    »Gerne«, erwiderte sie. »Wir sehen uns in der Schule, Ruby.«
    »Ja, bis dann«, entgegnete ich.
    Beim Zurücksetzen warf Jamie mir einen raschen Blick zu. »Eine Freundin von dir?«
    »Nein, wir haben bloß Englisch zusammen.«
    Er nickte, fügte dem aber weiter nichts hinzu. Wir fädeltenuns in den laufenden Verkehr ein. Vielmehr lief er eben nicht, da wir in die Hauptverkehrszeit geraten waren und auf der Heimfahrt vor fast jeder Ampel stehen bleiben mussten. Im Wagen herrschte Stille. Keiner sagte etwas. Weil mein Fisch allein in seiner kleinen Tüte herumschwamm, hielt ich ihn auf dem Schoß; ich konnte spüren, wie er von einer Seite auf die andere flitzte.
Es ist ein Schock für sie
, hatte Heather gesagt. Ich hob den Beutel auf Augenhöhe, betrachtete meinen Fisch. Wer weiß, ob er   – oder sonst einer von den anderen   – die kommende Woche überleben würde? Vielleicht nicht einmal die nächste Nacht?
    Dennoch ging ich, nachdem wir angekommen waren, mit Jamie in den Garten, hockte mich an den Rand des Teichs, ließ meine Fischtüte langsam und vorsichtig hineingleiten und sah zu, wie sie eine Viertelstunde lang auf der Oberfläche trieb. Anschließend öffnete ich den Knoten und ließ ein wenig Wasser von draußen hineinlaufen, so wie Heather es uns erklärt hatte. Als ich die Tüte schließlich ganz öffnete, war es beinahe dunkel. Trotzdem konnte ich meinen hellen, weißen Fisch gut erkennen. Er schwamm durch die unvermutet entstandene Öffnung in die Weite und Tiefe des Wassers, das ihn umgab. Und die ihm unendlich erscheinen musste. Ich hatte eigentlich damit gerechnet, dass er zögern würde. Oder vielleicht sogar zurückkehrte. Tat er aber nicht. Er glitt so schnell davon, dass er weiß vor meinen Augen verschwamm. Tauchte ab und war nicht mehr zu sehen.
    ***
    Als Jamie folgende Worte zu mir hochrief, war ich überzeugt, mich verhört zu haben: »Ruby? Du hast Besuch!«
    Unwillkürlich warf ich erst einen Blick auf die Uhr   –Viertel vor sechs, an einem ganz normalen Dienstag   – und dann durchs Fenster, zu Nates Haus hinüber. Die Poolbeleuchtung war eingeschaltet. Vielleicht war er ja aus irgendeinem Grund vorbeigekommen . . .? Aber in dem Fall hätte Jamie sicher seinen Namen genannt.
    »Okay«, rief ich zurück, stand auf, ging in den Flur. »Wer ist   –«
    Doch die Frage erübrigte sich, denn in dem Augenblick entdeckte ich unten in der Eingangshalle   – Peyton. Sie streichelte Roscoe; Jamie stand daneben und schaute zu. Als sie aufblickte und mich bemerkte, fing sie an zu strahlen. Typisch Peyton: Sie war berühmt für ihre Begeisterungsfähigkeit. »Hallo!«, sagte sie überschwänglich. »Hab ich dich gefunden!«
    Ich nickte. Eigentlich hätte ich mich freuen sollen, sie zu sehen; denn im Gegensatz zu Nate oder Heather war sie tatsächlich meine Freundin. Doch aus irgendeinem unerfindlichen Grund war mir unbehaglich zumute. Ins gelbe Haus hatte ich sie schließlich auch nie eingeladen, hatte immer irgendwelche Ausreden erfunden, warum es nicht ging: dass meine Mutter nach ihrer Nachtschicht dringend schlafen musste oder der Zeitpunkt aus anderen Gründen ungünstig war. Hatte sorgfältig darauf geachtet, dass meine Privatsphäre meine   – nun ja, eben Privatsphäre blieb. Doch da stand sie. War bereits drinnen. Ungefragt.
    »Hallo«, sagte ich, als ich unten ankam. »Wie läuft’s so?«
    »Bist du überrascht?« Sie kicherte. »Du ahnst nicht, was für einen Aufstand ich veranstaltet habe, um dich aufzuspüren. Als wäre ich so eine richtige Meisterdetektivin.«
    Jamie wirkte amüsiert. Und auch ich zwang mich zu einem Lächeln. Mir fielen allerdings zwei Dinge auf: wie stark sie nach Rauch roch. Und dass ihre Augen verräterischgerötet waren und ihre Wimperntusche so verlaufen war, dass sich unter ihren Augen kleine schwarze Kleckse gebildet hatten. Peyton hatte noch nie gut mit Augentropfen umgehen können. Was ganz offensichtlich mal wieder der Fall war. Außerdem gehörte sie zu der Sorte Mensch, der man sofort ansieht, dass sie high sind, egal wie sehr sie sich bemühen, es zu verbergen. So wie Peyton jetzt. Da nützte es gar nichts,

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