About Ruby
angesprochen, was vielleicht schon als eine Art Fortschritt betrachtet werden konnte.
»Womit?«
Sie biss sich auf die Lippe, blickte kurz zur Seite. Ein paar Typen aus unserer Fußballschulmannschaft rumpelten laut schwafelnd an uns vorbei. »Sie heißt Melissa. Das Mädchen, mit dem mein Freund mich betrügt.«
»Ups«, meinte ich und schloss langsam meine Spindtür. »Aha.«
»Es läuft schon seit Wochen, aber niemand hat einen Ton zu mir gesagt«, fuhr sie angewidert fort. »Ich habe so viele Freunde dort . . . und noch andere Leute, mit denen ich regelmäßig rede . . . aber irgendwie war ausgerechnet das zufällig nie Thema. Ich meine, was soll das?«
Keine Ahnung, was ich dazu sagen sollte. »Tut mir leid«, entgegnete ich. »So was ist ätzend.«
Olivia zuckte die Schultern, starrte aber nach wie vor an mir vorbei den Flur entlang. »Schon okay. Es ist besser, endlich Bescheid zu wissen, als im Dunkeln zu tappen, stimmt’s?«
»Absolut«, bestätigte ich.
»Jedenfalls wollte ich mich bedanken und so.« Plötzlich klang ihre Stimme wieder klar und energisch, fast geschäftsmäßig. »Für den Tipp.«
»Schon okay.«
Ihr Handy begann zu klingeln. Ein mir mittlerweile vertrautes Geräusch, dieses Trällern aus ihrem Rucksack. Sie holte es heraus, warf einen Blick darauf, nahm das Gespräch jedoch nicht an. »Ich stehe nicht so drauf, wenn ich jemandem etwas schulde«, sagte sie zu mir. »Deshalb wär’s mir lieb, wenn wir irgendwann wieder quitt wären. Also lass mich bitte wissen, wie.«
»Du schuldest mir gar nichts«, antwortete ich. Ihr Handy klingelte schon wieder. »Ich habe dir bloß einen Namen genannt.«
»Trotzdem. Es war wichtig.« Weil ihr Handy stur weiterklingelte, klappte sie es nun doch auf, hielt es ans Ohr. »Einen Moment«, sagte sie in den Hörer, bevor sie die Hand darüberhielt. »Wie auch immer – denk drüber nach.«
Ich nickte. Sie drehte ab, ging davon, bereits in ihr nächstes Gespräch vertieft. Olivia stand also nicht besonders drauf, wenn sie anderen etwas schuldete. Ich auch nicht. Ehrlich gesagt, bei mir ging es sogar noch ein Stück weiter: Ich stand allgemein nicht so auf Menschen, Ende. Außer sie gaben mir einen Anlass, meine Meinung über sie zu ändern. Zumindest war ich bis vor Kurzem noch so drauf gewesen. Aber in letzter Zeit beschlich mich zunehmend das Gefühl, dass sich nicht nur
meine
Einstellung geändert hatte.
Ein paar Tage später: Wir hatten gerade vor der Schule angehalten, Gervais war wie immer bereits in seinem üblichen Affentempo ausgestiegen, Nate und ich folgten ein wenig geruhsamer. Wir waren mittlerweile keine Sensation mehr; vielleicht gab es auch inzwischen eine neue Rachel Webster, deren trauriges Schicksal Stoff für den neuesten Schultratsch lieferte. Trotzdem ernteten wir nach wie vor gelegentliche, interessierte Blicke. »Jedenfalls sagte ich zu ihr«, setzte Nate gerade sein Gespräch mit mir fort, »sie könnte doch eventuell, nur
eventuell
einmal darüber nachdenken, meinen Vater und mich zu engagieren, bei ihr aufzuräumen. Ich meine, du solltest ihr Haus sehen. Überall liegt Zeug in der Gegend rum, Post, Zeitungen, Wäsche. Ungelogen, Berge schmutziger Wäsche.«
»Bei Harriet?«, fragte ich nach. »Echt? Im Laden ist sie immer so ordentlich und durchorganisiert.«
»Weil es um die Arbeit geht«, antwortete er. »Will sagen –«
»Nate!«
Er blieb stehen, drehte sich um. Neben einem roten Truck in unserer Nähe stand ein Typ in Lederjacke und mit Sonnenbrille.
»He Robbie«, meinte Nate. »Was liegt an?«
»Sag du’s mir«, erwiderte der Kerl. »Der Trainer meinte, du seist endgültig aus der Mannschaft ausgeschieden. Dabei hattest du das Stipendium fürs College schon in der Tasche. Was ist los?«
Nate warf mir einen flüchtigen Blick zu. Zog den Riemen seiner Tasche höher über seine Schulter. »Hab einfach zu viel um die Ohren«, antwortete er, während der Typ auf uns zukam. »Du weißt doch, wie’s ist.«
»Ja klar. Trotzdem«, erwiderte der andere. »Wir brauchendich. Was macht dein Teamgeist? Abschlussklassenehrensache, oder etwa nicht?«
Ich hörte, dass Nate darauf antwortete, aber nicht, was er sagte, denn ich war längst weitergelaufen. Das hier ging mich ganz klar nichts an. Erst als ich den Schulhof schon halb überquert hatte, wandte ich mich um. Nate verabschiedete sich gerade von dem Typen in der Lederjacke; ihr Gespräch war anscheinend beendet.
Der Rest meines Wegs über den Schulhof war
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