Abraham Lincoln - Vampirjäger
wenn ich noch einmal einen Vampir sehen muss.
Die Familie des Präsidenten wurde nun ausschließlich von Menschen bewacht und der Präsident selbst auf eigenen Wunsch immer weniger. Jeder Tag brachte neue Einschränkungen für seine Wachen; jeden Tag standen ihnen weniger Räumlichkeiten offen, in denen er sie duldete.
Trotz der Einwände von Ward Hill Lamon bestand Abe darauf, in einer offenen Kutsche auszufahren, wenn das Wetter angenehm war, und darauf, nach Einbruch der Dunkelheit allein vom Kriegsministerium zum Weißen Haus zu gehen. Jahre später in seinen Memoiren erinnerte sich Lamon: »Ich glaube, es war mehr als ein Fehlen von Angst. Ich glaube, es war eine Einladung an den Tod.«
Ein Tagebucheintrag vom 20. April 1862 fasst Abes zunehmenden Fatalismus zusammen:
Im Laufe einer Woche begegnen mir tausend fremde Gesichter im Weißen Haus. Soll ich etwa in jedem das Gesicht meines Mörders erkennen? In der Tat, jeder Mann, der gewillt ist, sein Leben zu geben, um mir meines zu nehmen, hätte wenig Schwierigkeiten, es auch zu tun. Soll ich mich deshalb in eine Eisenkiste einsperren lassen und warten, bis dieser Krieg vorüber ist? Wenn Gott sich meine Seele holen möchte, dann weiß er, wo er sie finden kann – und er möge es tun in der Stunde und auf die Weise, die ihm gefällt.
Mit der Zeit würde er sich durch reine Willenskraft selbst aus der Depression ziehen, genau wie er es all die Male zuvor getan hatte. Kurz nach Willies Tod, als sein langjähriger Freund William McCullough im Kampf für die Union fiel, schrieb Abe einen Brief an die trauernde Tochter, die McCullough zurückgelassen hatte. Der Trost und der Rat, den er darin erteilte, waren genauso an ihn selbst gerichtet wie an das Mädchen.
Vollkommener Trost ist nicht möglich, außer mit der Zeit. Noch erscheint es Dir unmöglich, dass Du Dich jemals wieder besserfühlen wirst. Ist es nicht so? Und doch ist es ein Fehler. Du wirst wieder glücklich sein. Dies mit absoluter Sicherheit zu wissen, wird Dein jetziges Unglück etwas lindern. Ich habe Erfahrung genug, um zu wissen, wovon ich spreche; und Du musst nur fest daran glauben, um Dich bald besserzufühlen. Die Erinnerung an Deinen geliebten Vater wird, anstelle des Schmerzes, bald schon ein süßes Gefühl in Deinem Herzen sein, von reinerer und göttlicherer Art, als Du es bisher kanntest.
Doch während Abe sich aufraffte und unermüdlich weitermachte, ging es Mary immer schlechter.
Sie schafft es nicht, das Bett für mehr als eine Stunde zu verlassen, noch kann sie sich um Tad kümmern, der nicht nur um einen Bruder trauert, sondern auch um eine Mutter. Ich schäme mich, zuzugeben, dass es Momente gibt, in denen mich ihr bloßer Anblick zornig macht. Ich schäme mich, weil es nicht ihre Schuld ist, dass sie Wutanfälle erleidet oder den Scharlatanen Glauben schenkt, die für Geld mit unseren geliebten Söhnen »kommunizieren«. Sie hat mehr ertragen müssen, als eine Mutter zu erdulden haben sollte. Ich fürchte, dass sie den Verstand verloren hat und dass er nie mehr zurückkehren wird.
II
Obwohl Abe sich weigerte, direkten Kontakt mit Henry oder der Union zu haben, war er pragmatisch genug, ihre Hilfe zu akzeptieren, wenn es darum ging, den Krieg zu gewinnen. In New York war der Ballsaal (in dem Abe zum ersten Mal von der Union und ihren Plänen mit ihm erfahren hatte) in eine Kommandozentrale verwandelt worden, mitsamt Karten, Tafeln und Telegrafen. Die Verbündeten fungierten als Gesandte zu sympathisierenden Vampiren in Europa. Sie kämpften, wo immer sie konnten, und ergänzten die Geheimdiensterkenntnisse des Weißen Hauses mit dem, was ihre eigenen Spione zusammentrugen. Diese Erkenntnisse wurden Seward überbracht. Der – nachdem er die Nachrichten gelesen und verbrannt hatte – ihren Inhalt dem Präsidenten mitteilte. Aus einem Eintrag vom 10. Juni 1862:
Heute erreicht uns die Nachricht, dass die Konföderierten Kriegsgefangene aus den Reihen der Union an die Vampire aus den Südstaaten ausliefern zum Zwecke von Folter und Exekution. »Wir hören von Männern, die zwischen zwei Pfosten gespannt und mit dem Kopf nach unten aufgehängt werden. Mit einer Holzsäge schneiden zwei Vampire den Gefangenen, angefangen an der [Leiste], auseinander. Während sie dies tun, liegt ein dritter Vampir auf dem Rücken unter dem armen Kerl – und fängt das Blut auf, das seinen Körper hinabrinnt. Da der Kopf des Gefangenen am weitesten unten hängt, ist sein Gehirn weiterhin
Weitere Kostenlose Bücher