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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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der Geschichte.
    Sie begann wie gewohnt mit der Hitzewelle im Mai 1786. Thomas war damals acht Jahre alt. Er und seine beiden älteren Brüder, Josiah und Mordecai, hatten ihren Vater zur Feldarbeit begleitet unweit der Farm, die sie einige Jahre zuvor mit vereinten Kräften gebaut hatten. Thomas’ Vater führte den kleinen Pflug, der sich hinter Ben, dem in die Jahre gekommenen Ackergaul, der bereits vor dem Krieg im Besitz der Familie war, durch die Erde grub. Langsam ging die sengende Sonne am Horizont unter und tauchte den Ohio River in ein weiches Licht, aber es war noch immer »heißer als ein Holzofen in der Hölle«, und obendrein war die Luft feucht und drückend. Abraham senior hatte sein Hemd ausgezogen, damit die Luft seinen langen, sehnigen Oberkörper kühlen konnte. Der kleine Thomas saß auf Bens Rücken, hielt die Zügel, während seine beiden Brüder hinter dem Pflug hergingen und das Saatgut ausbrachten. Alle warteten sie schon sehnsüchtig auf den willkommenen Klang der Glocke, die zum Abendessen läutete.
    Bis dahin kannte Abe noch jedes Wort der Geschichte auswendig. Als Nächstes würde der Teil folgen, in dem sie vom Kriegsgeschrei der Indianer aufgeschreckt wurden. Der Teil, in dem der alte Ackergaul stieg und den kleinen Thomas abwarf. In dem er in den nahe gelegenen Wald flüchtete und zusehen musste, wie sie seinen Vater massakrierten. Aber die Shawnee tauchten gar nicht erst auf. Diesmal nicht. Denn dies war eine andere Geschichte. Eine, die Abraham mehr als zwanzig Jahre später in einem Brief an Joshua Speed aus dem Blickwinkel seines Vaters wiedergab.
    »Die Wahrheit«, teilte mir mein Vater fast flüsternd mit, »ist, dass dein Großvater gar nicht von Menschen getötet wurde.«
    Der hemdlose Abraham senior hatte den äußeren Umriss des Feldes gegenüber der Baumgrenze bereits angelegt, als man »ein lautes Rascheln und Knacken von Ästen« aus dem nahe gelegenen Wald, keine zwanzig Yards von der Stelle, an der er mit seinen Söhnen pflügte, vernahm.
    »Daddy sagte mir, ich solle den Gaul zum Stehen bringen, und lauschte aufmerksam. Wahrscheinlich handelte es sich bloß um ein paar Rehe, die sich ihren Weg durchs Unterholz bahnten, doch wir hatten in der Gegend auch schon Schwarzbären zu Gesicht bekommen.«
    Sie kannten aber auch die anderen Geschichten. Berichte von kriegerischen Shawneehorden, die über nichtsahnende Siedler herfielen und gnadenlos sogar weiße Frauen und ihre Kinder abschlachteten. Häuser niederbrannten. Männer bei lebendigem Leibe skalpierten. Schließlich handelte es sich noch immer um umkämpftes Land. Es wimmelte nur so von Indianern. Man konnte also gar nicht vorsichtig genug sein.
    »Das Rascheln drang nun aus einem anderen Teil des Waldes zu uns herüber. Was auch immer es sein mochte, es war mit Sicherheit kein Reh, und es war vor allen Dingen nicht allein. Vater verfluchte sich dafür, dass er sein Steinschlossgewehr zu Hause gelassen hatte, und fing an, Ben abzuzäumen. Er dachte nicht daran, den Teufeln sein Pferd zu überlassen. Er hieß meine Brüder nach Hause laufen – Mordecai sollte sein Gewehr holen, und Josiah sollte aus Hughes’s Station Hilfe holen.« 2
    2 Unter den frühen Siedlern war es üblich, dass sie ihre Häuser rund um ein Fort oder sogenannte »Stations« bauten. Im Falle eines Indianerangriffs boten diese Forts ihren Nachbarn Zuflucht. Sie waren zu jeder Zeit mit einer kleinen Einheit von Freiwilligen besetzt.
    Das Rascheln klang nun anders. Die Baumwipfel begannen sich zu biegen, als würde jemand von Baum zu Baum springen.
    »Vater beeilte sich mit dem Abschirren. ›Shawnee‹, flüsterte er. Beim Klang dieses Wortes fing mein Herz an, so heftig zu klopfen, dass es mir beinahe aus der Brust sprang. Ich beobachtete die sich biegenden Baumwipfel und wartete darauf, dass jeden Augenblick eine Horde Wilder schreiend und Beile schwingend aus dem Wald gestürzt kam. Ich sah schon ihre roten Gesichter vor mir, die mich anstarrten. Ich spürte schon, wie man mich an den Haaren packte … um mich zu skalpieren.«
    Abraham senior kämpfte noch immer mit dem Geschirr des Ackergauls, als Thomas sah, wie etwas Weißes einen Satz aus einem der Baumwipfel »etwa fünfzig Fuß entfernt« machte. Etwas von der Größe und Form eines Menschen.
    »Es war ein Geist. Die Art, wie es durch die Luft flog. Die Art, wie sein weißer Körper dabei flatterte. Ein Shawneegeist, der gekommen war, unsere Seelen zu holen, weil wir sein Land entweiht

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