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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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Jungen bereitete es großes Vergnügen, seine neue Familie mit Passagen aus den Korintherbriefen, dem Buch der Könige und den Weisheiten des Salomon zu erfreuen. Seit dem Tod seiner Mutter hatte sich sein Glaube noch vertieft. Gerne stellte er sich vor, wie sie vom Himmel auf ihn herabblickte und ihm mit der Hand übers dunkle Haar strich, während er vorlas, wie sie ihn vor allem Unheil bewahrte und ihm in schweren Zeiten Trost spendete.
    Abe fasste auch Zuneigung zu seinen Stiefgeschwistern, insbesondere zu John, dem er den Spitznamen »der General« verlieh, weil dieser so gerne Krieg spielte.
    Während ich eher zurückhaltend war, konnte John kaum jemals stillhalten. Er malte sich die ganze Zeit neue Schlachten aus und trommelte die Anzahl an Knaben zusammen, die nötig war, um sie nachzustellen. Stets drängte er mich, meinen Büchern auch einmal den Rücken zu kehren und an seinen Vergnügungen teilzuhaben. Wenn ich ablehnte, insistierte er und versprach, mich im nächsten Spiel zum Hauptmann oder zum Oberst zu ernennen. Er bot mir sogar an, meinen Anteil an der Arbeit im Haus zu übernehmen, wenn ich nur mitspielte. Er bedrängte mich so lange, bis mir nichts anderes übrigblieb, als meinen Bücherhimmel zu verlassen und mich an seinen wilden Spielen zu beteiligen. Damals hielt ich ihn eher für einen Einfaltspinsel, doch heute weiß ich, wie weise er schon damals war. Denn ein Knabe braucht mehr als Bücher, um ein Knabe zu sein.
    Zu seinem elften Geburtstag schenkte Sarah Abe (entgegen Thomas’ Wunsch) ein kleines in Leder gebundenes Tagebuch. Sie hatte es von dem Geld gekauft, das sie selbst verdiente, indem sie für Mr. Gregson, einen älteren Herrn, dessen Frau bereits vor Jahren verstorben war, die Wäsche machte und Flickarbeiten übernahm. Man kann sich Abes Freude, als er dieses Geschenk in Händen hielt, nur zu gut vorstellen. Er zögerte nicht lange damit, seinen ersten Eintrag in das Buch zu schreiben, pflichtbewusst und in seiner ungeschliffenen Kinderschrift noch am selben Tag, an dem er es erhielt.
    Dies ist das Tagebuch von Abraham Lincoln.
    9. Februar 1820 – Dieses Buch ist ein Geschenk zu meinem elftn [sic] Geburtstag von meinem Vater und meiner Stiefmutter, die Mrs. Sarah Bush Lincoln heißt. Ich werde bestrehpt [sic] sein, täglich etwas hineinzuschreiben, um meine Schrift zu verbessern.
    – Abraham Lincoln
    II
    An einem Frühlingsabend, nicht lange nachdem diese Worte sorgfältig verfasst worden waren, rief Thomas seinen Sohn zu sich nach draußen ans Feuer. Er war betrunken. Abe wusste das, noch bevor ihm geheißen wurde, sich auf einen Baumstumpf zu setzen, um sich aufzuwärmen, denn sein Vater machte nur dann draußen Feuer, wenn er vorhatte, sich richtig volllaufen zu lassen.
    »Habe ich dir jemals von deinem Großvater erzählt?«
    Es war eine seiner Lieblingsgeschichten, die er immer erzählte, wenn er betrunken war: die Geschichte davon, wie er als kleiner Junge Zeuge geworden war, als sein Vater brutal ermordet wurde, ein Ereignis, das tiefe Narben in ihm hinterlassen hatte. Leider befand man sich damals noch Jahrzehnte vor der Erfindung von Sigmund Freuds Couch. In Ermangelung dessen tat Thomas, was jeder anständige, emotional verkrüppelte Siedler damals getan hätte, um seiner Probleme Herr zu werden: Er besoff sich gnadenlos. Abes einziger Trost dabei war wohl, dass sein Vater ein begnadeter Geschichtenerzähler war mit einem sicheren Händchen für detailreiche Ausschmückungen. Er ahmte Akzente und spielte Geschehnisse nach, veränderte die Stimmlage und den Erzählrhythmus. Er war ein wahres Naturtalent.
    Nur leider hatte Abe eben diese Darbietung schon zigmal erlebt. Er konnte praktisch Wort für Wort mitsprechen: wie sein Großvater (der auch den Namen Abraham trug) in der Nähe seines Hauses in Kentucky das Feld bestellte, wie der achtjährige Thomas und seine Brüder ihm dabei zusahen, wie er sich in der heißen Nachmittagssonne beim Pflügen der Erde abplagte. Wie sie plötzlich von dem Gebrüll der Shawnee-Indianer aufgeschreckt wurden, die aus dem Hinterhalt angriffen, wie der kleine Thomas sich hinter einem Baum versteckte und mit ansehen musste, als sie seinem Vater den Kopf mit einem Tomahawk einschlugen und ihm die Kehle durchschnitten. Er konnte all das bis ins Detail beschreiben – sogar das Gesicht seiner Großmutter, als der kleine Thomas mit der schrecklichen Nachricht nach Hause gerannt kam.
    Aber diesmal erzählte Thomas ihm eine ganz andere Version

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