Abraham Lincoln - Vampirjäger
als noch am Tag zuvor. Obgleich, das gebe ich zu, es seltsam war, dass ich dies einem anderen Vampir zu verdanken hatte. Aber wie heißt es doch so schön: »Die Feinde meiner Feinde sind meine Freunde.«
Fünfzehn weitere Briefe erreichten Little Pigeon Creek während der nächsten drei Jahre. Jeder davon enthielt nichts als einen Namen, einen Ort und das unverkennbare »H.«.
Manchmal kamen zwei Briefe in zwei Monaten. Manchmal erreichte mich drei Monate lang kein einziger. Aber ganz gleich, wann sie kamen, ich brach immer auf, sobald es meine Arbeit zuließ. Mit jeder Jagd lernte ich dazu. Verbesserte meine Fähigkeiten und mein Rüstzeug. Manchmal ging es so mühelos vonstatten wie bei Silas Williams, in anderen Fällen musste ich stundenlang auf der Lauer liegen oder selbst den Köder spielen – nur damit ich den Spieß dann umdrehen konnte, sobald der Vampir mich angriff. Manchmal dauerte die Anreise weniger als einen Tag, in anderen Fällen führten mich die Erledigungen bis nach Fort Wayne oder Nashville.
Ganz gleich jedoch, wie lange die Reise war, er hatte immer dieselben Gegenstände bei sich.
In meinem Bündel befand sich immer so viel Proviant wie möglich, eine Pfanne, um Schweinefleisch zu braten, und ein Topf, um Wasser zu kochen. Dies alles wickelte ich in meinen langen Mantel, den ich von einer Schneiderin erneut hatte ändern lassen, so dass er nun statt der vielen Taschen über ein stabiles Lederinnenfutter verfügte. Das Ganze band ich am Griff meiner Axt fest, die stets so scharf war, dass ich mich damit auch hätte rasieren können. Zu meinem Waffenarsenal zählte zudem eine kleine Armbrust, die ich mir selbst nach Anleitung aus einem Buch mit dem Titel Die Waffen der Taboriten gebaut hatte. Ich übte mich in ihrer Handhabung, wenn es meine Zeit erlaubte, wagte es aber noch nicht, sie im Kampf einzusetzen, bevor ich mein Können nicht deutlich verbessert hätte.
Abb. 12 – Abe inmitten seiner vampirischen Opfer auf einem Gemälde mit dem Titel »Der junge Jäger« von Diego Swanson (Öl auf Leinwand, 1913).
Während die Jagd auf Vampire zwar Abes persönliche Verluste aufwog und seine Rachegelüste stillte, brachte es ihm doch keinerlei Geld ein. Als junger Mann wurde von ihm erwartet, dass er zur Versorgung seiner Familie beitrug. Und den Gepflogenheiten seiner Zeit entsprechend, gehörte aller Lohn, den er sich bis zu seinem einundzwanzigsten Geburtstag erarbeitete, seinem Vater. Wie man sich vorstellen kann, behagte ihm das nicht recht.
Die Vorstellung, meinen Verdienst einem solchen Manne auszuhändigen! Mit meiner Arbeit seinen mangelnden Einsatz auszugleichen. Überhaupt irgendetwas zu tun, wovon ein so träger Mensch profitiert. Jemand, der so selbstsüchtig und feige ist! Das ist die reinste Leibeigenschaft!
Abe war immer auf Arbeitssuche, ganz gleich, ob es sich dabei um das Fällen von Bäumen oder den Transport von Passagieren vom Ufer des Ohio Rivers zu bereitstehenden Raddampfern mit einem selbst zusammengezimmerten Lastkahn handelte. 10
10 Abe war erstaunt, dass Passagiere bereit waren, einen Dollar zu löhnen, damit man sie eine Strecke von manchmal nur dreißig Fuß beförderte. Wie schon während seiner Zeit am Old Cumberland Trail in Kentucky hatte er auch hier die reinste Freude daran, Reisenden zu begegnen und ihre Geschichten zu hören, von denen er so manche für den Rest seines Lebens zum Besten gab.
James Gentry besaß eine der weitläufigsten und ertragreichsten Farmen im Umkreis von Little Pigeon Creek. Er zählte nun schon seit knapp zehn Jahren zum Bekanntenkreis von Thomas Lincoln, obwohl er sich in jedem nur vorstellbaren Hinblick von diesem unterschied. Verständlicherweise hatte Abe aufgrund dieser Tatsache von jeher zu ihm aufgesehen. Und Gentry seinerseits bewunderte den groß gewachsenen, tüchtigen und bescheidenen jungen Lincoln. Sein eigener Sohn Allen war ein paar Jahre älter als Abe, aber einen Tick unreifer. Der emsige Farmer wollte expandieren (und seinen Gewinn vergrößern), indem er seine Ernte entlang des Mississippi verkaufte, wo es zwar Zucker und Baumwolle im Überfluss gab, aber große Nachfrage nach anderen Gütern bestand.
Mr. Gentry fragte mich, ob ich mit Allen zusammen einen Lastkahn bauen und steuern wollte, um seine Güter flussabwärts zu befördern. Anlaufstellen wären Mississippi und andere Orte weiter südlich, wo wir Getreide, Schweinefleisch und verschiedene andere Waren verkaufen sollten. Dafür wollte er mich mit
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