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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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traten. Erst jetzt erkannte ich die geniale Konstruktion, denn von außen wirkte sein Haus wie eine bescheidene Hütte, die sich an einen einsamen, bewaldeten Hang schmiegte. »Wollen wir?«, fragte Henry.
    So begann die einzig wirkliche Ausbildung, die Abraham Lincoln je genoss.
    Die folgenden vier Wochen über erklommen Abe und Henry jeden Morgen die Stufen zu der Hütte, und jeden Tag lehrte ihn Henry mehr darüber, wie man Vampire aufspürte und bekämpfte.
    Jede Nacht wurde die Theorie dann in die Praxis umgesetzt, wenn Henry Abe testete, indem er sich von ihm jagen ließ.
    Vergessen waren die Knoblauchzehen und Fläschchen mit geweihtem Wasser. Vergessen meine Messer. Was blieb, waren einzig meine Holzpfähle, meine Axt und mein Verstand. Und es war diese letzte Waffe, die zu fördern Henry besonders bemüht war. Er lehrte mich, wie ich die scharfen, tierischen Sinne eines Vampirs überlisten konnte, wie ich seine Schnelligkeit zu meinen Gunsten ausnutzen konnte, wie ich ihn aus der Reserve locken und wie ich ihn töten konnte, ohne mein Leben (respektive meinen Hals) aufs Spiel zu setzen. Aber unter all den Lektionen, die mir Henry erteilte, war keine nützlicher als die Übungsstunden, in denen wir versuchten, uns gegenseitig zu töten. Zuerst war ich völlig perplex gewesen angesichts seiner Schnelligkeit und seiner Kraft und überzeugt, dass ich es unmöglich jemals in Augenhöhe mit ihm aufnehmen würde können. Aber mit der Zeit fiel mir auf, dass er immer länger brauchte, mich zu schlagen. Hin und wieder gelang es mir sogar, den einen oder anderen Treffer zu landen. Und bald war es nichts Ungewöhnliches mehr, wenn ich ihm in drei von zehn Kämpfen überlegen war.
    »Ich befinde mich in einer außergewöhnlichen Position«, sagte Henry nachdenklich, nachdem es Abe eines Nachts gelungen war, ihn zu übertrumpfen. »Ich fühle mich wie ein Hase, der einen Fuchs zum Schüler genommen hat.«
    Abe grinste. »Und ich wie eine Maus, die eine Katze zum Lehrer hat.«
    Als der Herbst anbrach, rückte auch das Ende von Abes Aufenthalt bei Henry näher. Die beiden standen draußen vor Henrys Hütte in der Morgensonne. Henry hatte wie immer seine dunkle Brille auf, und Abe trug seine Habseligkeiten und etwas Reiseproviant bei sich. Er wurde bereits seit Wochen in Little Pigeon Creek erwartet und musste sich auf eine gehörige Tracht Prügel von seinem Vater gefasst machen, weil er mit leeren Händen zurückkommen würde, obwohl er versprochen hatte, etwas Geld zu verdienen.
    Henry jedoch hielt es für angebracht, mit einem Geschenk von fünfundzwanzig Dollar Abhilfe zu schaffen – fünf Dollar mehr, als ich meinem Vater versprochen hatte. Selbstverständlich verlangte es mein Stolz, diese Gabe als zu großzügig abzulehnen, und selbstverständlich gebot Henry sein Stolz, darauf zu bestehen, dass ich das Geld akzeptierte. Also nahm ich es und dankte ihm ausgiebig dafür. Ich wollte ihm in diesem Moment so vieles sagen: Wollte ihm danken für seine Güte und Gastfreundschaft. Wollte ihm dafür danken, dass er mir das Leben gerettet hatte und dafür, dass er mich gelehrt hatte, es in Zukunft besser verteidigen zu können. Ich dachte daran, mich für das harte Urteil zu entschuldigen, das ich anfangs über ihn gefällt hatte. Doch all das schien überflüssig, denn Henry kam mir zuvor, streckte mir die Hand hin und sagte: »Lass uns Lebwohl sagen und vom Rest schweigen.« Wir schüttelten uns die Hände, und ich machte mich auf den Weg. Aber da war noch etwas, was ich in Erfahrung zu bringen versäumt hatte. Etwas, das mich beschäftigte, seit ich ihn getroffen hatte. Also drehte ich mich noch einmal zu ihm um: »Henry … was hattest du in jener Nacht am Fluss eigentlich zu tun?« Er blickte erstaunlich ernst drein, als er diese Frage hörte. Ernster, als ich es während meines gesamten Aufenthalts bei ihm erlebt hatte.
    »Es ist unehrenhaft, schlafende Kinder aus ihren Betten zu rauben«, erwiderte er schließlich, »oder sich an Unschuldigen gütlich zu tun. Ich habe dir die Fähigkeiten vermittelt, um diejenigen, die dies tun, ihrer gerechten Strafe zuzuführen … schon bald werde ich dir auch ihre Namen nennen.«
    Mit diesen Worten wandte er sich um und ging zur Hütte zurück.
    »Scher uns nicht alle über einen Kamm. Wir mögen es alle verdient haben, in der Hölle zu schmoren, aber einige von uns verdienen dieses Los früher als andere.«

VIER
    EINE ALLZU GRAUENVOLLE WAHRHEIT
    Eher wird der russische Autokrat

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