Abraham Lincoln - Vampirjäger
Dollar erworben, den wir innerhalb von zwei Jahren zurückzuzahlen gedenken. Und in drei Jahren werden wir so viel erwirtschaftet haben, dass wir das Gebäude kaufen können!
18 William F. Berry, Sohn eines hiesigen Geistlichen und ehemals Unteroffizier in Lincolns Truppe.
Wieder einmal entpuppte sich die Realität weit weniger glorreich als Abes Fantasie. Als der Laden von Lincoln und Berry die Türen öffnete, gab es bereits zwei weitere Gemischtwarenläden in New Salem und kaum genug Nachfrage, um den Fortbestand dieser zu sichern. Historiker haben sich den Kopf darüber zerbrochen, warum ein Mann von Lincolns Intellekt, der noch dazu den gesunden Menschenverstand seines Vaters geerbt hatte, die Aussichtslosigkeit seines Vorhabens, auch noch einen dritten Laden zu betreiben, nicht erkannt hatte. Oder warum er seinen Partner William Berry so vollständig falsch eingeschätzt hatte, der sich als träge, unzuverlässig und »ständig betrunken« entpuppte.
Der Grund dafür kann nicht allein in seinem Ehrgeiz gelegen haben. Als der Laden ein Jahr später kurz vor der Pleite stand, klangen Abes Tagebucheinträge zunehmend erschöpft, gar verzweifelt. Einer davon sticht besonders hervor, nicht nur aufgrund seiner Abgehacktheit, sondern auch durch den abschließenden Hinweis auf (und hier können wir nur Mutmaßungen anstellen) seine Mutter.
Ich muss bestehen.
Ich muss mehr sein, als ich bin.
Ich darf keine Enttäuschung sein.
Ich darf keine Enttäuschung für sie sein.
Aber er erlebte eine Enttäuschung – zumindest, was die Welt der Kurzwaren und Damenhüte betraf. Der Laden von Lincoln und Berry schloss im Jahre 1834 »klammheimlich die Pforten« und bescherte den beiden Männern jeweils Schulden in Höhe von zweihundert Dollar. Am Ende konnte man sich auf den unzuverlässigen Berry nicht einmal dahingehend verlassen, dass er am Leben blieb. Er starb wenige Jahre später und halste Abe somit den gesamten Schuldenberg auf. Er würde siebzehn Jahre brauchen, um die Verbindlichkeiten abzubezahlen.
Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Abe womöglich seine Sachen gepackt und New Salem für immer den Rücken gekehrt. Aber wie es der Zufall so wollte, stand in wenigen Monaten die nächste Parlamentswahl im Staate Illinois an. Da er nichts Besseres zu tun hatte (»in letzter Zeit kamen keine Briefe von Henry«) und beflügelt von seinem guten Abschneiden beim letzten Mal, entschied Abe, erneut zu kandidieren – und dieses Mal war er wild entschlossen, alles richtig zu machen. Er bereiste den gesamten Bezirk zu Pferde und zu Fuß und unterhielt sich mit jedem, der ihm auf seinem Weg begegnete. Er schüttelte Landarbeitern die Hände, die schwielig waren von der Arbeit in der ausgedörrten Erde, und rang ihnen Respekt ab, indem er ihnen seine eigenen, im Grenzland gewonnenen Fähigkeiten und seine gottgegebene Kraft demonstrierte. Er hielt Ansprachen in Kirchen und Tavernen, bei Pferderennen und Picknicks und würzte seine Reden (die er zweifellos während der Reise auf Papierfetzen in seiner Rocktasche entwarf) mit selbstironischen Geschichten über seine Pannen mit dem Lastkahn und die Kämpfe gegen Armeen von Moskitos.
»Ich habe noch nie einen Mann mit einer größeren Begabung zum Reden gesehen«, erinnerte sich Mentor Graham nach Abes Tod. »Er war ein ungelenker – manche würden auch sagen unansehnlicher – Kerl, groß wie ein Baum und mit Hosenbeinen, die gut sechs Zoll über seinen Schuhen endeten. Sein Haar war durchweg in Unordnung; sein Mantel immer zerknittert. Wenn er sich vor eine Menschenmenge stellte, musterten die Zuhörer ihn mit skeptisch hochgezogenen Augenbrauen und ablehnend verschränkten Armen. Wenn er aber dann zu seiner Rede anhob, lösten sich die Zweifel schnell in Wohlgefallen auf, und am Ende spendete man ihm unweigerlich donnernden Applaus – manche vergossen sogar ein paar Tränen.«
Und dieses Mal hatte er genügend Hände geschüttelt. Abraham Lincoln wurde am 4. August 1834 ins Parlament von Illinois gewählt.
Ein armer Sohn aus dem Grenzland, fast mittellos, der kein einziges Jahr Schulbildung genossen hatte, entsandt nach Vandalia 19 , um sich dort für seine Mitbürger einzusetzen! Ein einfacher Zimmermann zwischen gelehrten Männern! Ich muss zugeben, dass mich die Aussicht, solchen Männern zu begegnen, einschüchtert. Werden sie mich als Kolegen [sic] akzeptieren oder mich als den ungebildeten Bauerntölpel mit löchrigen Schuhen meiden? In jedem Fall wird sich mein Leben
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