Abraham Lincoln - Vampirjäger
die letzten zwei Tage und Nächte einen Großteil von Manhattan fest im Griff hatten, konnten endlich niedergeschlagen werden. Auf Befehl des Gouverneurs drangen Milizsoldaten am späten Sonntag ins Armenviertel Five Points vor und feuerten Salven von Musketenkugeln auf die verbleibenden Kämpfer ab. Unzählige Tote säumten heute Morgen die Baxter, Mulburry und Elizabeth Street – Opfer der schlimmsten Aufstände, die diese oder jedwede Stadt je gesehen hat. Die Gewalt war ausgebrochen, als die berüchtigten Banden von Five Points, die Plug Uglies und die Dead Rabbits, zusammen gegen ihren gemeinsamen Feind, die Bowery Boys, losschlugen. Der [Polizei] zufolge begann das Töten in der Bayard Street am Samstag um die Mittagszeit, ehe sich die Gewalt dann mit dem Tempo und der Heftigkeit einer Feuersbrunst in ganz Five Points ausbreitete.
Die unbeteiligten Anwohner sahen sich gezwungen, ihre Türen zu verbarrikadieren, während rivalisierende Schläger sich gegenseitig abstachen, erschossen und zu Tode prügelten. Händler mussten mit ansehen, wie ihre Geschäfte in dem Chaos verwüstet und ihre Waren dreist geplündert wurden. Elf Passanten – darunter eine Frau und ein Kind – wurden verletzt, nur weil sie in die Nähe des Konfliktes geraten waren.
Absonderliche Beobachtungen bei Bandenschlägerei
Zahlreiche Augenzeugenberichte über »absonderliche« und »unfassbare« Geschehnisse im Laufe des Samstagabends und Sonntagmorgens gingen in der Redaktion der Tribune ein. Es hieß, Männer hätten sich gegenseitig verfolgt, indem sie über Dächer »wie getragen von einem Luftzug« gesprungen oder Hauswände hinaufgeklettert seien, so »mühelos wie Katzen auf einen Baum«.
Ein Zeuge, ein Kaufmann namens Jasper Rubes, behauptet sogar, er habe gesehen, wie einer der Dead Rabbits »einen Bower Boy hoch über den Kopf in die Luft gestemmt und dann so hart gegen die Wand im zweiten Stock eines Fabrikgebäudes (in der Baxter Street) geschleudert« habe, dass »ein Loch im Mauerwerk« zurückblieb. Unglaublicherweise landete das Opfer danach »wieder auf den Füßen«, berichtete der Zeuge, »und setzte den Kampf fort, als sei nichts geschehen«.
»Seine Augen«, so Rubes, »waren schwarz wie Kohle.«
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Nichts lag Abraham Lincoln Anfang 1850 ferner als die Vampirjagd.
Zehn Monate nachdem sie ihren Sohn beerdigt hatten, bekamen Abe und Mary einen weiteren Sohn. Sie nannten ihn William »Willy« Wallace Lincoln, zu Ehren des Arztes, der Eddy bis zuletzt zur Seite gestanden hatte. 1853 wurde ihnen noch ein weiterer Junge geboren, Thomas »Tad« Lincoln, geboren am 4. April. Zusammen mit dem zehnjährigen Robert bildeten die drei einen ziemlich »wilden Haufen«.
»Bob heult im Nebenzimmer, während ich dies schreibe«, notierte Abe 1853 in einem Brief an Speed. »Mary hat ihm eine Tracht Prügel verpasst, weil er fortgelaufen ist und verschwunden war. Ich gehe davon aus, dass er, wenn ich diesen Brief zu Ende geschrieben habe, schon wieder weggelaufen und verschwunden sein wird.«
Abe machte nur einige wenige Tagebucheinträge in der Zeit nach Eddys Tod. Die mittlerweile sechseinhalb kleinen Lederbüchlein waren zum Protokoll seines Lebens als Vampirjäger geworden – ein Bericht über Waffen und Rache, Tod und Verlust. Aber diese Tage lagen nun hinter ihm. Dieses Leben war vorbei. Als er 1865 das Tagebuchschreiben wieder aufnahm, blickte Abe zurück auf eine »letzte friedliche, wundervolle Zeit«.
Es waren gute Jahre, so viel ist sicher. Ruhige Jahre. Ich wollte nichts mehr mit Vampiren oder mit der Politik zu tun haben. Wenn ich nur daran dachte, was ich alles verpasst hatte, während ich meine Zeit in Washington verplemperte! Wie viel von Eddys kurzem, schönem Leben war mir dadurch entgangen! Nein … nie wieder. Einfachheit! Das war es, was ich mir nun geschworen hatte. Familienleben! Das war mein Ansinnen. Wenn ich nicht bei meinen Söhnen zu Hause sein konnte, dann ließ ich sie in meinem Büro herumtollen (sehr zu Lamons 32 Missfallen, nehme ich an). Mary und ich unternahmen ausgiebige Spaziergänge, ungeachtet der Jahreszeit oder des Wetters. Wir sprachen über unsere geliebten Söhne … unsere Freunde und unsere Pläne … darüber, wie rasch das Leben doch verging.
32 Im Jahre 1852 ging Lincoln eine Partnerschaft ein mit Ward Hill Lamon, einem imposanten Mannsbild, das ihm später während seiner Präsidentschaft als Leibwächter dienen sollte. Wie seine früheren Partner auch ließ Abe Lamon über
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