Abraxmata
sagen.
Murus machte eine ruckartige Bremsung mit seinen Flügeln und landete dann sanft direkt neben dem Heinekinbaum.
»Mhm, sieht völlig normal aus«, sagte Chamor, während er die Pflanze untersuchte.
»Dann lass uns gleich weiterfliegen«, bestätigte Murus Chamors Diagnose.
Auch die nächsten Landungen für fünf weitere Pflanzen, die wie fast alle Heinekinbäume sehr klein waren – die einzige Ausnahme bildete der mächtige Heinekinbaum der Gilkos – hätten sie sich sparen können.
Es war fast völlig dunkel geworden. Chamor war abgestiegen und stand nun dicht neben Murus. Ehrfürchtig blickten beide auf die Baumriesen des angrenzenden Waldes und dann zurück auf den Mondschattenwald. Noch nie hatte einer von beiden den Geburtswald verlassen. Auch die Bäume des Morgentauwaldes hatten ihr Blätterkleid für den Winter abgelegt, aber unter ihnen rankte sich dichtes dunkelgrünes Gestrüpp, das die Sicht auf den Boden erschwerte. Murus machte Chamor darauf aufmerksam, wobei Chamor den grünen Boden natürlich längst bemerkt hatte.
»Das wird uns die Sache nicht gerade leichter machen«, sagte Murus. Chamor wünschte sich ganz fest, dass Murus gleich eine bestimmte Sache sagen würde und genau das tat Murus dann auch. »Heute Nacht schlafen wir noch im Mondschattenwald. Dabei fühle ich mich irgendwie wohler«, kam Murus’ erlösende Aussage.
So nah am Morgentauwald hatte Chamor ein ziemlich mulmiges Gefühl. Unvertraute Laute machten ihm das Einschlafen nicht gerade leichter. Der Gedanke, dass sie Abraxmata helfen mussten, wo immer dieser jetzt auch sein mochte, machte Chamor und auch Murus sehr stark.
Hevea hatte einen ernsten Verdacht, der sich in Abraxmatas Höhle bestätigte. Jeden kleinen Winkel von Abraxmatas Höhle durchkämmte sie nach dem Heinekinblatt, von dem sie wusste, dass es Abraxmata ziemlich beschäftigt hatte. Was sie nicht wusste war, ob Abraxmata das Dokument vielleicht selbst mitgenommen hatte, aber davon ging sie nicht aus. Murus war alleine losgeflogen, dieser Gedanke schien ihr der einzig logische. Und sie konnte ihm mit ihrem Wissen sehr nützlich sein. Außerdem traute sie Murus nicht wirklich zu, so viel alleine auf sich zu nehmen. Sie stürzte hinaus in die Dunkelheit und flog los zur Grenze zum Morgentauwald, wo sie Murus vermutete.
Kapitel 5
Die Gastfreundschaft der Santorinen
Hevea war fast die ganze restliche Nacht hindurch geflogen. Nur einmal hatte sie für einige Minuten verschnauft, sich dann aber doch gezwungen weiterzufliegen. Wenn Murus erst einmal den Morgentauwald erreicht hatte, hatte sie keine Chance mehr, ihn jemals zu finden. Bis zur Grenze war es nicht mehr weit, aber es würde trotzdem nicht leicht sein, Murus dort zu finden, schließlich war es ein riesiges Areal, an dem die beiden Wälder aneinander grenzten. Als Hevea an der Grenze entlangflog, war der Himmel durch die aufgehende Morgensonne bereits hellrot gefärbt. Hevea war schon einmal hier gewesen, um eine Nachricht für Penton zu überbringen. Ein ziemlich zwielichtiges Wesen hatte sie ihr damals abgenommen. Ein kleines Geschöpf, fast so klein wie sie selbst, mit einem kantigen und haarigen Gesicht. In seine dunklen Augen hatten sich zwei breite dunkle Augenbrauen tief hineingelegt und auf seinem schwarzen zausigen Haar thronte eine enge, weiße, geflochtene Mütze. Kein Wort hatten sie damals gewechselt. Ohne ihn auch nur für eine Sekunde aus den Augen zu lassen, hatte ihm Hevea damals das Heinekinblatt überreicht, in dem Penton Askan bat, zu kommen. Jetzt flog sie im Zickzack den letzten Streifen des Mondschattenwaldes ab. Innerlich bäumte sie sich noch einmal auf, nahm ihre ganze Kraft zusammen, denn sie war unheimlich müde.
Chamor blinzelte durch seine noch völlig verschlafenen Augen. Als Murus nicht mehr an der Stelle lag, an der er in der Nacht zuvor eingeschlafen war, war Chamor auf einen Schlag hellwach. Suchend blickte er um sich, doch der Commodor war nirgends zu entdecken. Chamor hatte Angst, dass man ihn hier in der Fremde alleine gelassen hatte. Natürlich sagte ihm sein Verstand, dass Murus so etwas niemals tun würde, aber vielleicht tat er es nicht freiwillig. Seine Bedenken, sich gnadenlos zu verlaufen, hielten Chamor davon ab, sich weit von seinem nächtlichen Schlafplatz zu entfernen. Zunächst umkreiste er den Ort, an dem er Murus zum letzten Mal gesehen hatte, nur im Umkreis von wenigen Metern. Dann konnte er sich doch dazu durchringen, einige Schritte
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