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Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)

Titel: Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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öffentlichen Dienst waren. Ja, zählen diese Arbeitsplätze denn nicht? Das Geld, das in die Staatskassen floss, haben wir an die Bürger weitergereicht. Sind wir schuld daran, wenn die es schlecht verwalten? Zugegeben, wir haben Gelder verteilt, ohne uns darum zu kümmern, was für Geschäfte damit getätigt wurden. Und jetzt, da das Geld knapp wird, sind wir schuld daran, dass wir keins mehr verteilen können.«
    Auf einmal wird ihm bewusst, dass es wohl nicht Sinn und Zweck meines Besuchs ist, seinem heiligen Zorn zu lauschen, und er fasst sich. »Aber Sie sind bestimmt nicht hier, um sich meine Sorgen anzuhören.«
    »Nein, sondern wegen der Ermordung von Jerassimos Demertsis.«
    Betrübt schüttelt er den Kopf. »Armer Jerassimos! Wissen Sie, wie lange wir uns kannten? Seit der Besetzung des Polytechnikums. Wir hatten dort zusammen studiert. Gemeinsam waren wir dann auch bei der Militärpolizei in Haft.« Er lässt sich die guten alten Erinnerungen auf der Zunge zergehen wie teuren Wein. »Wir stammten nicht aus Familien mit Verbindungen oder aus reichen Elternhäusern, sondern wir sind ausgezogen, um Griechenland zu verändern. Und mussten den Preis dafür bezahlen.«
    Ich versuche, beim Thema zu bleiben.
    »Ich will offen mit Ihnen reden, Herr Lakodimos. Es gibt zwei Thesen zum Demertsis-Mord. Die erste besagt, dass es sich um einen Terrorakt handelt, und die zweite, dass ihn jemand aus einem ganz konkreten Grund umgebracht hat.«
    »Meiner Meinung nach ist ein Terrorakt durchaus wahrscheinlich, wenn er auch nicht unbedingt einer bestimmten Gruppierung anzurechnen ist. Mittlerweile ist ja jeder zum Töten bereit – der eine, weil er die Revolution, der andere, weil er die Diktatur herbeiführen will. Kommt darauf an, zu welchem Lager der Täter gehört.«
    »Ich erhoffe mir von Ihnen konkretere Hinweise. Ich weiß, dass Sie beide seit der Bauzeit der olympischen Sportanlagen Geschäftsbeziehungen hatten.«
    »Ich hatte mit ihm keinerlei Geschäftsbeziehung«, erwidert er mit Nachdruck. »Ich muss schon sehr bitten. Jerassimos’ Baufirma hat die Aufträge über offene Ausschreibungen bekommen, nicht weil wir uns kannten – alles andere ist Verleumdung. Wir waren es doch, die einen Neuanfang gemacht haben. Wir sind die Generation, die Griechenland verändert hat. Da ist es nur natürlich, dass wir uns alle untereinander kennen, ja sogar befreundet sind. Von Mauscheleien kann keine Rede sein, Herr Kommissar.«
    »Ich nehme an, Sie kennen Petrakos?«
    »Natürlich, von meiner Haftzeit bei der Militärpolizei. Das wollten Sie doch hören.« Er lacht auf. »Petrakos hatte mit den Folterknechten nichts zu tun, Herr Kommissar. Er war Verwaltungsbeamter und hat in der Administration der Militärpolizei gearbeitet. Er war der Einzige, der unseren Familien korrekte Auskünfte gab, er war der Einzige, der ihnen mit Rat und Tat zur Seite stand. Dadurch lief er Gefahr, selber bei uns in den Zellen zu landen.«
    Er verstummt und wartet auf meine nächste Frage, doch mir fällt keine mehr ein. Wäre Demertsis nicht in den Rücken geschossen worden, würde ich mit fast hundertprozentiger Sicherheit von einem Selbstmord ausgehen.
    Lakodimos greift den Gesprächsfaden wieder auf und hilft mir aus der Verlegenheit.
    »Ich bin zwar kein Polizist, aber ich würde sagen: Verfolgen Sie die These des Terrorakts. Ganz ehrlich, ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand Jerassimos persönlich so sehr hasste, dass er ihn umbringen wollte.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Und noch etwas: Wenn es sich tatsächlich um eine terroristische Aktion handelt, dann werden die Urheber höchstwahrscheinlich weitermachen. Nicht auszuschließen, dass Jerassimos nur das erste Opfer war.«
    Damit liegt er nicht falsch, denke ich mir. Ich muss Gonatas bitten, sich mit dem Fall genauer auseinanderzusetzen, und verzichte darauf, Lakodimos nach Demertsis’ Sohn zu fragen.
    »Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben, Herr Lakodimos«, sage ich zum Abschied.
    »Es ist mein größter Wunsch, dass Sie Jerassimos’ Mörder fassen, Herr Kommissar. Sein Tod ist ein schlimmer Verlust für mich.«
    Als wir die Treppe hinuntergehen, erwartet uns die Asiatin bereits, um uns zum Ausgang zu begleiten. Der Wachmann öffnet uns die Tür und lässt uns hinaus, ohne uns eines Abschiedswortes zu würdigen.
    »Was ist dein Eindruck?«, frage ich Papadakis, als wir in den Wagen steigen.
    »Dieser Mann lebt aus lauter Furcht vollkommen abgeschottet.

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