Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Andererseits hat Demertsis gerade Petrakos’ These entkräftet, seine feindliche Haltung dem Vater gegenüber liege an dessen Seitensprung.
Papadakis wartet im Wagen auf mich.
»Fahren wir zurück, Herr Kommissar?«
»Ja, aber ich rufe noch schnell Vlassopoulos an, ob’s was Neues gibt.«
»Fehlanzeige, Herr Kommissar«, berichtet Vlassopoulos am Telefon. »Niemand hat etwas Auffälliges bemerkt, weder eine bestimmte Person noch irgendein verdächtiges Treiben. Es hat keinen Sinn weiterzusuchen. Wir verlieren nur Zeit.«
Nachdem ich meine Assistenten zurück zur Dienststelle beordert habe, berichte ich Papadakis von unseren bisherigen Erkenntnissen, um ihn mehr in die Ermittlungsarbeit einzubinden. Einerseits, damit er sich in der Abteilung besser aufgehoben fühlt, andererseits, weil die allgemeine Lage in Athen dermaßen außer Kontrolle ist, dass ich auf alle meine Leute angewiesen bin.
»Ich hab da so eine Idee, Herr Kommissar. Wollen Sie sie hören?«, fragt er gepresst.
»Nur heraus damit.«
»Wenn ich Blödsinn rede, nehmen Sie’s bitte nicht in meine Personalakte auf«, sagt er halb im Scherz, halb im Ernst.
»In der Abteilung, in der Sie jetzt Dienst tun, reden alle dann und wann Blödsinn. Nur so kommen die Ermittlungen voran.«
»Wäre es nicht denkbar, dass der Mörder und sein Helfer auf dem Seeweg gekommen sind?«
»Auf dem Seeweg?«
»Ja, aus der Bucht von Faliro. Sehen Sie, wir haben sehr schönes Winterwetter, und das Meer ist ruhig. Andererseits ist in dieser Jahreszeit in der Bucht wenig Bootsverkehr. Wenn sie auf dem Seeweg gekommen sind, hat keiner sie bemerkt.«
»Papadakis, das ist wahrhaftig kein Blödsinn, das müssen wir sofort überprüfen«, sage ich. »Kehrtwende nach Faliro.«
Ich rufe Vlassopoulos an und vereinbare mit ihm einen Treffpunkt am Eingang des Olympischen Zentrums. Doch in der 28-Oktovriou-Straße geraten wir in eine endlos lange Autoschlange aus Kühlwagen und Sattelschleppern, die alle in Piräus einschiffen wollen. Als wir das Olympische Zentrum endlich erreichen, ist es bereits Mittag.
Vlassopoulos und Dermitsakis, die den Schlüssel organisiert haben, erwarten uns am Eingang und schließen das Tor auf. Wir begeben uns direkt zur Rückseite des Gebäudekomplexes, die direkt ans Meer angrenzt. Hier konnte jemand, der keine schwere Waffe bei sich hatte, mit Leichtigkeit hochklettern.
Vlassopoulos bestätigt meinen Gedankengang.
»Ein junger Mann schafft die Mauer hier locker.«
»Wie ist dir das bloß eingefallen, Papadakis? Toll!«, sagt Dermitsakis bewundernd.
Papadakis erwidert nichts, doch ein zufriedenes Lächeln breitet sich über sein Gesicht.
»Dummerweise haben wir nicht sofort daran gedacht. Jetzt werden alle Spuren verwischt sein«, sage ich. »Trotzdem sollten wir Dimitriou verständigen. Man kann nie wissen.«
Gerade als ich in den Wagen steigen will, läutet mein Handy.
»Ich habe Lakodimos’ Privatadresse, Herr Kommissar«, höre ich Koulas Stimme. »Die Anschrift seines Abgeordnetenbüros konnte ich jedoch nicht herausfinden.«
»Wo müssen wir hin?«
»Nach Glyfada.«
»Schicken Sie eine SMS mit der Adresse an Papadakis, und kündigen Sie Lakodimos an, dass ich mit ihm über den Fall Demertsis reden will.«
Während Dermitsakis und Vlassopoulos in den Streifenwagen steigen, um zurück zur Dienststelle zu fahren, erreicht uns Koulas SMS . Lakodimos’ Wohnhaus liegt in der Lasari-Straße, wohin ich mich jetzt von Papadakis chauffieren lasse.
14
Papadakis biegt in die Lasari-Straße ein. Auf halber Höhe steht Thanassis Lakodimos’ Haus wie eine Trutzburg – umschlossen von hohen Mauern, hinter denen das Gebäude fast vollkommen verschwindet. In der Mitte liegt eine stählerne Hochsicherheitstür mit Sichtfenster, auf die man selbst im Korydallos-Gefängnis neidisch wäre.
Als Papadakis den in die Wand eingelassenen Klingelknopf drückt, erscheint ein Augenpaar im Sichtfenster, das uns durchdringend mustert.
»Kommissar Charitos und Kriminalhauptwachtmeister Papadakis. Wir haben einen Termin«, melde ich uns an.
Daraufhin öffnet sich die Tür gerade mal so weit, dass wir hindurchschlüpfen können. Die zu den Augen gehörige Person, eine Mischung aus Gewichtheber und Tierbändiger, zieht sie sofort wieder ins Schloss, sobald wir die Schwelle überschritten haben.
»Ich muss Sie durchsuchen«, sagt er mit einer Miene, die keinen Widerspruch duldet.
»Hat man Ihnen nicht Bescheid gesagt, dass wir von der Polizei sind?«,
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