Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Ich wollte dich fragen, ob die Polizei über Bildmaterial zu den Zwischenfällen verfügt.«
Mir klingt die Drohung des Anführers des rechtsextremen Haufens noch im Ohr, und ich werde das Gefühl nicht los, dass meine Tochter schnurstracks in die Höhle des Löwen marschiert. Kurz frage ich mich, ob ich ihr davon erzählen soll, doch ich verwerfe die Idee. Sie wird nicht klein beigeben, nur weil jemand Drohungen gegen sie ausstößt. Ganz im Gegenteil, es würde sie anspornen.
»Nur wenn Verkehrsüberwachungskameras im Umkreis eingeschaltet waren, könnte es Bildmaterial geben, sonst nicht. Aber das kann ich dir erst morgen sagen.« Ich halte kurz inne und suche nach einem anderen Weg, um sie von ihrem Vorhaben abzubringen. »Du weißt besser als ich, dass sich ein solches Verfahren über Jahre hinziehen kann, selbst wenn Indizien vorliegen. Halten deine Mandanten so lange durch?«, frage ich.
Statt zu antworten, steht sie auf und öffnet die Bürotür.
»Reza!«, ruft sie.
Daraufhin erscheint der Typ mit dem einbandagierten Kopf.
»Reza, erzählen Sie dem Herrn hier, warum Sie zum court, also vor Gericht gehen wollen«, sagt meine Tochter zu ihm.
»Weil ich will Geld kriegen und Ticket kaufen, zurück nach Bangladesch«, meint der Typ zu mir. »Hier keine Arbeit, hier keine Geld. Nicht Euro, nicht Drachme. Ich will zurück in meine Land, aber habe keine Geld für Ticket«, erklärt er mir.
»Danke, Reza«, sagt Katerina zu ihm.
Reza neigt seinen einbandagierten Kopf zum Gruß und geht hinaus.
»Verstehst du jetzt, Papa?«, fragt Katerina. »Wäre Reza ein illegaler Einwanderer, dann hätte man ihn in ein Auffanglager gesteckt, und er würde in aller Ruhe auf die Geldüberweisung der EU warten, mit der ihm der griechische Staat eine Rückfahrkarte in seine Heimat bezahlt. Doch er ist legal und mit korrekten Papieren hier, also gibt ihm keiner Geld. Und was hat er, wo er ohnehin in Griechenland festsitzt, noch zu verlieren? Da kann er auch auf die Gerichtsverhandlung warten.«
An ihrer Argumentation ist nicht zu rütteln, deshalb wechsle ich das Thema und wende mich an Pavlos. »Wie ich sehe, beschäftigen Sie sich nicht nur mit dem Obdachlosenheim, sondern auch mit Fotografie«, sage ich, um die Stimmung etwas aufzulockern.
»Unter anderem«, antwortet er mit einem Grinsen.
»Womit denn sonst noch?«
»Wir bemühen uns, gratis Nachhilfeunterricht für junge Leute aus verarmten Vierteln zu organisieren, damit sie bei der Aufnahmeprüfung zur Hochschule nicht benachteiligt sind. Woher sollen ihre Eltern das Geld für den Nachhilfeunterricht nehmen?« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Nicht, dass sie mit einem höheren Abschluss leichter Arbeit finden würden. Aber sie haben ein Ziel vor Augen, das ihnen dabei hilft, Oberwasser zu behalten. Das habe ich gerade mit Katerina und Mania besprochen.«
»Ja, aber für heute mach ich Schluss, weil ich mit meinem Papa zur Essensausgabe nach Hause muss«, sagt Katerina augenzwinkernd.
»Warum lädst du Mania nicht ein?«, wundere ich mich, als wir bereit zum Aufbruch sind.
»Kann ich machen, aber da ist ja auch noch Uli.«
»Es sind bestimmt genug Sardinen in Zitronensoße für alle da.«
Mania reagiert amüsiert auf Katerinas Einladung: »Wir kommen gerne. Uli wird sein blaues Wunder erleben.«
»Wie? Wieso?«, wundere ich mich.
»Weil er zum ersten Mal bei einer griechischen Familie zu Gast ist. Da wird ihm Hören und Sehen vergehen. Er wird versuchen, bei den Gesprächen mitzukommen, und doch nur Bahnhof verstehen«, ergänzt sie und grinst dabei belustigt.
Die Einladung von Mania und Uli war nicht ganz uneigennützig. Es kann nicht sein, dass ich als Einziger von der Drohung gegen Katerina weiß. Es sollte noch jemand anderer davon erfahren.
Langsam nimmt ein Plan in meinem Kopf Gestalt an.
16
Adriani öffnet uns die Tür und bleibt wie angewurzelt stehen. Und zwar nicht, weil wir mehr Personen sind als erwartet. So etwas bringt sie nicht aus dem Konzept. Sondern, weil es einen Überraschungsgast gibt – Uli, der mit einem verlegenen Lächeln hinter Mania steht.
»Frau Charitou, darf ich Ihnen Uli Köhler vorstellen?«, sagt Mania und wendet sich an ihren Freund. »Uli, this is Mrs. Charitou, Mr. Charitos’ wife and Katerina’s mother.«
Uli drückt Adriani mit einem breiten Lächeln die Hand und versucht ein »Sehr erfreut« auf Griechisch, allerdings mit einem seltsamen Akzent.
»Uli, wir sprechen das Neugriechische nicht wie
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