Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
frage ich, während ich um Fassung ringe.
»Ich weiß nur, dass jeder, der durch diese Tür kommt, durchgecheckt werden muss, bevor er ins Haus darf. Wer sagt mir denn, dass Sie nicht verkappte Terroristen sind, die sich als Polizeibeamte ausgeben?«
»Schauen Sie sich unsere Dienstausweise an.«
»Dienstausweise zählen nicht, nur die Leibesvisitation«, erwidert er knapp.
»Dann machen Sie die Tür wieder auf. Wir gehen«, sage ich, ganz bärbeißiger Bulle, der sich nichts bieten lässt. Er stutzt und blickt mich an. »Morgen früh schicke ich per Eilboten eine Vorladung an Ihren Chef zur Vernehmung im Präsidium. Türsteher, Leibwächter und Sicherheitsleute haben dort nichts verloren. Sie und Ihresgleichen müssen draußen bleiben.«
»Moment, ich frage mal nach«, meint er und eilt zum Telefon. Zum ersten Mal trifft sein Hirn eine selbständige Entscheidung.
Außen hui, innen pfui, denke ich. Hohe Mauern, Sicherheitstüren und Securitypersonal, aber keiner denkt daran, den Empfang der Scheinfestung zu benachrichtigen, dass Polizeibeamte im Anmarsch sind. Es ist wie bei den vollkommen digitalisierten griechischen Ministerien, die nicht mehr imstande sind, eine simple Bescheinigung auszustellen.
»Gehen Sie die Treppe hoch, oben an der Tür werden Sie erwartet«, sagt der Wachmann.
Wider Erwarten liegt hinter den wehrhaften Mauern kein mittelalterlicher Turm, sondern eine schneeweiße zweistöckige Villa, umgeben von einem kleinen Park, den ein Schaufensterdekorateur nach dem Motto »Von allem ein bisschen« gestaltet zu haben scheint: hier ein Tupfer weiße und rote Rosen, dort ein paar Sonnenblumen, aber auch exotische, legal in Griechenland lebende Pflanzen aus Afrika. Darüber erheben sich ein Bitterorangen-, ein Apfel- und ein Birnbaum, als sei es ihre Aufgabe, den Büschen und Blumen so viel Schatten wie möglich zu spenden. An der Treppe, die zum Eingang hochführt, ist eine vergleichsweise kümmerliche Weinlaube angelegt.
Papadakis und ich steigen die Treppe hoch und überqueren eine ausladende Veranda mit Rattansesseln und Gartentischchen, bevor wir die Villa betreten. Vor uns liegt ein großer Raum, in dem nur wenige Einrichtungsgegenstände an den Wänden und in den Ecken stehen. Die übrige Fläche ist leer geräumt, als plante man einen Tanzabend.
Empfangen werden wir von einer Asiatin unbestimmten Alters.
»Treten Sie ein, Herr Lakodimos erwartet Sie«, sagt sie und führt uns durchs Haus.
Über eine Wendeltreppe geleitet sie uns direkt in Lakodimos’ Büro. Er sitzt höchstpersönlich hinter dem Schreibtisch, während das Fenster hinter ihm aufs Meer hinausgeht.
»Entschuldigen Sie das Missverständnis mit der Leibesvisitation«, meint er nach der Vorstellungsrunde. »Es gab entsprechende Anweisungen, aber das Personal hat den Empfang nicht informiert.«
Ich komme mir vor wie in einer Militärkaserne oder wie im Polizeipräsidium einer fremden Stadt.
»Wie ich sehe, haben Sie strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen, Herr Lakodimos«, bemerke ich.
»Ob sie ausreichen, ist allerdings fraglich«, entgegnet er.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich habe Angst, Herr Kommissar. Ich fürchte mich davor, das Haus zu verlassen. Ich vermeide es, auf die Straße zu gehen. Ich traue mich nicht, in einer Taverne essen zu gehen. Als ich eines Nachmittags aus dem Parlament kam, wurde ich mit Joghurt beworfen. Bei einer Demonstration hat man mich angegriffen, und ich musste, wenn auch nur kurz, ins Krankenhaus. Und beim Essen in der Taverne wurde ich wüst beschimpft. Dabei war das alles noch zu Euro-Zeiten! Können Sie sich vorstellen, was mich jetzt mit der Drachme erwartet? Deshalb habe ich mich in meinem Haus verbarrikadiert und überall Wachleute postiert.«
Vergebens wartet er auf eine Reaktion meinerseits. Angriffe auf Abgeordnete oder Schmähreden gegen irgendeinen Minister kümmern einen Polizeibeamten wenig, wenn er nicht speziell in dieser Sache ermittelt und überdies in den nächsten Monaten kein Gehalt bezieht.
Als er merkt, dass keine Antwort kommt, fährt er fort:
»Soll ich Ihnen etwas sagen? Das ist ungerecht, Herr Kommissar. Bestimmt haben wir Fehler gemacht. Aber wir haben das Land auch vorangebracht. Jetzt wirft man uns vor, wir hätten es ruiniert. Ja, aber bevor wir es ruinierten, haben wir es aufgebaut. Wir haben Löhne und Renten erhöht, wir haben Arbeitsplätze geschaffen. Jetzt sagt man uns, wir hätten den Klientelismus gefördert, weil es Arbeitsplätze im
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