Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
läuft immer nach demselben Schema ab. Wir finden ein verlassenes Gebäude, in Attiki zum Beispiel, und besetzen es. Geld für Schulbänke haben wir natürlich keins, abgesehen von Schultafeln gibt es keine Einrichtungsgegenstände. Die Kinder sitzen am Boden auf den Kissen, die sie von zu Hause mitgebracht haben. Wenn irgendwann der Eigentümer auftaucht, einigen wir uns auf eine moderate Miete und verrechnen den Kindern einen geringen Beitrag.« Erneut lacht er auf. »Mittlerweile sponsere ich mit dem Barkeeperjob die Tätigkeit als Nachhilfelehrer, Herr Kommissar.«
Diesmal sagt er es ohne Bitterkeit. So, als habe er sich damit abgefunden, dass er seinen Lebensunterhalt nicht mit seinem angestammten Beruf bestreiten kann, sondern einen schlechter bezahlten Job machen muss, um sein ehrenamtliches Engagement zu finanzieren – welches allerdings das Studium voraussetzt, von dem er nicht leben kann.
Da alle meine Fragen beantwortet sind, verabschieden wir uns. Einerseits freut es mich, dass sich nichts Belastendes gegen ihn ergeben hat, weil er mir – genau wie Demertsis und seine Freunde – sympathisch ist. Andererseits geht es mir ganz schön auf die Nerven, dass alle Ermittlungen ständig in einer Sackgasse enden.
»Vielleicht steckt eine Liebestragödie dahinter, Herr Kommissar«, meint Koula, als wir auf die Straße treten.
»Wer weiß. Aber eine so heftige Leidenschaft hätte doch irgendjemand bemerken müssen. Dummerweise konnten wir mit seiner Frau noch nicht sprechen. Kann sein, dass wir dann endlich Land sehen.«
»Ich rufe jeden Tag im Krankenhaus an, aber sie muss weiterhin ruhig gestellt werden. Zweimal hat man versucht, die Medikamente abzusetzen. Ich weiß, dass ihr Sohn sie besuchen wollte, aber die Ärzte haben es nicht erlaubt.«
Es ist fünf Uhr nachmittags, und auf der Dienststelle gibt es nichts mehr zu tun. Selbst Gikas ist schon auf dem Laufenden. Das Ergebnis der ballistischen Untersuchung hat er von Gonatas erfahren, und sonst haben wir keine Resultate vorzuweisen.
Ich hätte also Zeit, um mit Katerina zu sprechen. Also verabschiede ich mich von Koula, die mit dem Streifenwagen ins Präsidium zurückfährt, und mache mich auf den Weg zu Katerinas Büro.
19
Koulas Streifenwagen und mein Seat fahren im Mini-Konvoi bis zum Omonia-Platz hintereinander her, da der schnellste Weg ins Zentrum über die Pireos-Straße führt. An der Stadiou-Straße trennen sich unsere Wege. Um diese Uhrzeit herrscht im Zentrum dichter Verkehr, und ich brauche fast eine halbe Stunde.
Als Katerina die Tür öffnet und mich erblickt, sagt sie: »So ein Zufall! Du kommst wie gerufen.«
»Ja? Wieso?«
Auf ihr Geheiß setze ich mich auf ihren Bürostuhl. Gegenüber von ihrem Schreibtisch steht der Computer, daneben liegen Kopfhörer. Katerina beugt sich nach vorne und zeigt mit der Maus auf ein Piktogramm.
»Dasselbe Icon wie auf deinem Computer, weißt du noch?«
»Ich erinnere mich an ein Bildchen. Wie es aussah, weiß ich allerdings nicht mehr.«
»Setz die Kopfhörer auf.«
Sobald ich sie aufhabe, klickt Katerina das Symbol an. Es erscheint das Bildchen eines Lautsprechers, auf dem »Radio Hoffnung« geschrieben steht. Darunter befindet sich ein Pfeil, den Katerina anklickt.
»Die jüngsten Angriffe gegen Migranten im Athener Zentrum reißen im Stadtbild neue Wunden auf.«
Die Stimme im Kopfhörer klingt nach Mania, doch ich bin mir nicht sicher.
»Ist das Mania?«, frage ich Katerina, die nickt.
»Sowohl die Polizei als auch die städtischen Behörden sind pessimistisch und glauben nicht, dass sich diese Wunden so schnell wieder schließen, sondern dass sie im Gegenteil immer größer und tiefer werden. Bei uns ist heute Aliki Ferentinou vom Netzwerk ›Schutz und Betreuung für Migranten‹ zu Gast. Aliki, wie lange, glauben Sie, werden die Angriffe weitergehen? Bis auch die letzten Einwanderer aus Griechenland vertrieben sind?«
»Leider ja«, erwidert Manias Gesprächspartnerin. »Ob die Migranten dadurch tatsächlich zur Ausreise gezwungen werden, ist allerdings fraglich. Viele Zuwanderer wollen Griechenland ja schon längst verlassen. Nach der Wiedereinführung der Drachme gibt es nicht einmal für Griechen Arbeit. So wühlen sie im Müll nach Essbarem oder nach etwas, das man weiterverkaufen kann. In ihrem Heimatland wären sie auch nicht schlechter dran.«
»Und warum kehren sie nicht zurück?«, fragt Mania.
»Weil die meisten keine Papiere haben. Aber auch diejenigen, die legal hier
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