Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
suchen?«, fragt er, als ich fertig bin.
»Sie sollen Demertsis’ Finanzlage auf Herz und Nieren prüfen. Mein Gefühl sagt mir, dass das Mordmotiv mit seinen Geschäften zu tun hat. Vor allem aber sollen Sie seinen Finanzdirektor überprüfen, diesen ehemaligen Militärpolizisten. Das ist doch seltsam: Wer stellt einen ehemaligen Mitarbeiter der Militärpolizei als Finanzdirektor ein, wenn es gut ausgebildete und erfahrene Manager wie Sand am Meer gibt? Da steckt etwas anderes dahinter, und das sollen Sie herausfinden.«
Er verspricht mir, sich sofort darum zu kümmern, und verlässt mein Büro. Da weiter nichts Dringendes ansteht, entschließe ich mich zu einem Besuch bei Sissis, um mit ihm über die Drohung gegen Katerina zu sprechen.
Die Fahrt in die Tenedou-Straße ist ein Spaziergang, und schon nach zehn Minuten stehe ich vor dem ehemaligen Hotel, das jetzt als Obdachlosenunterkunft dient.
Gleich am Eingang, wo früher die Hotelrezeption war, sitzt Sissis an einem Tischchen. Überrascht blickt er auf.
»Wohin des Wegs, Kommissar? Truppeninspektion?«, spottet er.
»Ich wollte mit eigenen Augen die Wunder sehen, die du, wie man hört, vollbracht hast.«
»Was für Wunder? Ich habe bloß das Modell der Deportationsinsel Makronissos angewendet, und es hat Früchte getragen. Komm, ich führe dich durchs Haus.«
Der Frühstücksraum im Erdgeschoss ist menschenleer, doch auf ein paar Tischen sind Gesellschaftsspiele zu sehen.
»Aha, du hast einen Zeitvertreib für die Leute gefunden«, sage ich.
»Ja, aber erst nachmittags. Am Vormittag haben sie etwas anderes zu tun. Alles bis auf Kartenspiel ist erlaubt.«
»Wieso kein Kartenspiel?«, frage ich überrascht.
»Weil das Kafenionatmosphäre schafft, und Kafenion ist gleich Faulenzerei. Das hier ist ihr Zuhause, um das sie sich kümmern sollen.«
Er beginnt, die Treppe hochzusteigen. Als ich ihm folge, kommt mir der Gedanke, dass er Manias rechte Hand werden könnte, wenn seine Mission im Obdachlosenasyl erfüllt ist. Ich kenne Sissis seit mehr als dreißig Jahren, aber immer wieder gelingt es ihm, mich zu beeindrucken.
Die erste Etage wirkt wie verwandelt. Die Zimmer sind aufgeräumt, keiner lungert – wie bei meinem letzten Besuch – auf den Betten herum. Es ist kein Staubkörnchen zu sehen. Obwohl Zimmer und Flur blitzblank gewischt sind, widmen sich immer noch drei Frauen der Hausarbeit. Drei weitere putzen die Fenster, die von zwei älteren Männern mit Isolierband abgedichtet werden.
»Leider haben wir kein Geld für Heizöl«, erläutert mir Sissis. »So müssen wir andere Mittel und Wege finden, damit wir nicht frieren. Es gibt zwar ein paar Öfen, die werden aber nur im Notfall angeworfen.«
Drei Männer streichen gemeinsam den Flur. Einen von ihnen hatte ich letztes Mal in Angst und Schrecken versetzt, weil er bei meinem Anblick befürchtete, die Polizei wolle das Hotel räumen.
»Guten Tag, Herr Kommissar«, sagt er lächelnd. »Dem Himmel sei Dank, dass Sie uns diesen Heiligen geschickt haben.« Dabei deutet er auf Sissis.
»Ich habe ja schon viel erlebt«, sage ich zu Sissis, als wir die Treppe wieder hinuntersteigen. »Aber ein heiliggesprochener Kommunist kommt mir zum ersten Mal unter.« Er lässt sein leises Lachen hören. »Ich muss mit dir reden«, sage ich dann ernst.
Er führt mich in die Cafeteria, wo wir ungestört sind. Ich erzähle ihm vom Abend der Ausschreitungen, von der Drohung, die von den Schlägertypen gegen Katerina ausgestoßen wurde, und von dem Verfahren, das Katerina einleiten möchte. Er hört mir zu, ohne mich zu unterbrechen. Am Ende blickt er mich nachdenklich an.
»Die Drohung allein wäre noch nicht so schlimm, aber die geplante Anzeige macht mir Sorgen.«
Ich erzähle ihm von meinem Gespräch mit dem Revierleiter in Vyronas.
»Das war richtig, aber es reicht nicht aus. Im Büro wird man sie nicht attackieren. Wichtig ist, dass sie das Büro niemals allein, sondern immer nur in Begleitung verlässt. Sie soll hier vorbeikommen, damit ich mit ihr reden kann.«
»Sie wird nicht klein beigeben«, sage ich.
»Und das ist auch gut so, aber wir müssen sie beschützen.« Er macht eine Pause und seufzt. »Wir kehren langsam wieder zu den Verhältnissen von früher zurück, Kostas. Hier drin haben wir ein zweites Makronissos. Und draußen herrscht wie damals der Schattenstaat.«
Als ich in den Seat steige, um zur Dienststelle zurückzukehren, läutet mein Handy, und Koula ist dran.
»Die Adresse von Chronis
Weitere Kostenlose Bücher