Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Kelesoglou stimmt, aber im Moment ist er im Café Gothic, wo er jobbt. Was soll ich tun?«
Ich versuche abzuwägen, was besser ist: ihn offiziell zur Vernehmung vorzuladen oder ihn mir im Café im freundlichen Zwiegespräch vorzunehmen. Schließlich wähle ich die zweite Variante.
»Bleiben Sie vor Ort, und behalten Sie das Café im Auge, ich bin gleich da.«
18
Koulas Streifenwagen steht circa dreißig Meter vom Café entfernt. Wir gehen an drei Männern vorbei, die unter einem Heizpilz sitzen, und betreten das Lokal. Die junge Kellnerin hat wenig zu tun, das Café ist fast leer. Hinter dem Tresen steht ein junger Bursche in Kyriakos Demertsis’ Alter und bereitet zwei Kaffee-Frappees mit einer dicken Schaumhaube und einem Strohhalm zu, die für zwei junge Frauen bestimmt sind, die am Tresen auf deren Fertigstellung warten. Der junge Mann hält uns offenbar für Gäste, da er uns einen gleichgültigen Blick zuwirft und einfach weitermacht.
Da ich keinen anderen jungen Mann im Lokal ausmachen kann, muss er Chronis Kelesoglou sein. Die beiden Frauen nehmen ihre Kaffee-Frappés in Empfang und begeben sich zu ihren Plätzen, während die Kellnerin mit dem Grüppchen unter dem Heizpilz einen kleinen Plausch hält.
»Sind Sie Chronis Kelesoglou?«, frage ich den jungen Burschen, als wir allein im Café zurückbleiben.
»Ja, warum?«
»Kommissar Charitos. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen. Können wir uns hier unterhalten?«
»Ja, aber wenn Gäste kommen, muss ich unterbrechen.«
Sein Gesichtsausdruck bleibt gelassen. Der Besuch eines Polizeibeamten scheint ihn also nicht zu beunruhigen.
»Kein Problem. Ich will Sie auch nicht lange aufhalten. Kannten Sie den Bauunternehmer Jerassimos Demertsis, den Eigentümer der Firma Domotechniki?«
»Nein«, antwortet er kurz und bündig.
»Trotzdem haben Sie ihn einen Tag vor seinem Tod von Ihrem Handy aus angerufen. Wissen Sie, dass er ermordet wurde?«
»Ich hab’s in den Nachrichten gehört.«
»Woher hatten Sie seine Handynummer, wenn Sie ihn nicht persönlich kannten?«
»Von seinem Sohn. Ich bin seit Studienzeiten mit Kyriakos befreundet. Sie müssen wissen, ich bin nicht geborener Barkeeper, sondern studierter Bauingenieur«, erläutert er mit bitterer Ironie. »Als Barkeeper arbeite ich, um mich über Wasser zu halten. Gleichzeitig suche ich nach einer Stelle und habe deshalb Kyriakos gebeten, mit seinem Vater zu reden. Er wollte seinen Vater aber um keinen Gefallen bitten. Das tue er prinzipiell nicht, hat er mir erklärt. Schließlich hat er mir die Handynummer seines Vaters gegeben, aber nur unter der Bedingung, dass nicht herauskommt, dass ich sie von ihm habe. Als ich Demertsis anrief, hörte ich genau das, was ich ohnehin erwartet hatte: dass die Auftragslage stagniert und die Firma kein Personal einstellt. Das war das erste und einzige Mal, dass wir miteinander gesprochen haben.« Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: »Wenn Sie meine Handydaten überprüft haben, dann müssen Sie ja gesehen haben, dass ich an die zwanzig Baufirmen angerufen habe. Mehr, um mir selbst zu beweisen, dass ich es zumindest versucht habe. Aber eigentlich kann man es ja vergessen. Sind die Banken tot, sind’s auch die Baufirmen.«
Die Kellnerin tritt zu uns, um eine Bestellung aufzugeben, und wir müssen kurz unterbrechen. Als wir den Gesprächsfaden wiederaufnehmen, frage ich ihn, wie gut er Kyriakos Demertsis kennt.
»Seit unserer gemeinsamen Studienzeit, wie gesagt. Aber auch danach hatten wir weiterhin Kontakt.«
»Halten Sie es für möglich, dass er mit Drogen dealt?«, frage ich. Mich interessiert vor allem seine spontane Reaktion.
Ich weiß zwar nicht, ob er mit der Frage gerechnet hat, doch seine Antwort kommt prompt:
»Hören Sie, ich arbeite seit Jahren in Cafés und Bars. Dabei ist mir noch nie ein Junkie oder ein Dealer untergekommen, der weder trinkt noch raucht. Kyriakos hat noch nie eine Zigarette in den Mund genommen, und er trinkt, wenn’s hochkommt, zwei Glas Weißwein. Andererseits war er immer schon der Typ, der durchzieht, was er sich vornimmt. Egal, wie hoch der Preis ist. Wenn er mit Drogen gedealt hat, dann, weil er einen Plan im Kopf hatte.«
»Meinen Sie das Obdachlosenheim?«
Er lacht auf.
»Nicht nur das. Wissen Sie, was ich mache, wenn ich nicht gerade hier zugange bin? Dann gebe ich Matheunterricht an einem Nachhilfeinstitut, wo Schüler aus armen Athener Stadtvierteln gratis Stunden bekommen. Das war Kyriakos’ Idee. Es
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