Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
sind, haben kein Geld für eine Rückfahrkarte. Jeder Hörer kann das selbst überprüfen. Es genügt ein Blick ins Internet, um zu sehen, wie viel ein Flugticket von Athen zum Beispiel nach Karachi kostet. Wo sollen sie das Geld dafür hernehmen? Vor allem, wenn sie nicht allein, sondern mit ihren Angehörigen hier sind. Und dabei haben die Pakistani noch Glück. Afghanen zum Beispiel müssen von Pakistan auf dem Landweg in ihr Heimatland weiterreisen. Eine große Zahl solcher Migranten sitzt hier fest. Und damit kommen wir zu einer weiteren Problematik.«
»Und die wäre?«, fragt Mania.
»Wollen diejenigen, die Einwanderer mit Gewalt bekämpfen, sie auch tatsächlich fortschicken?«
»Was möchten Sie damit sagen? Dass sie die Migranten im Grunde hierbehalten wollen?«
»Es ist doch so, dass diese angeblichen Saubermänner durch die ›Ausländer raus!‹-Parolen Sympathien und Stimmen gewinnen. Wenn die Ausländer weg sind, fehlt ihnen die Existenzberechtigung, und keiner wählt sie mehr. Alle wegzuschicken liegt also nicht in ihrem Interesse. Wenn sie die Ausländer wirklich nicht hierhaben wollten, dann bräuchten sie nur Geld zu sammeln und ihnen das Rückflugticket zu kaufen. Ich bin mir ganz sicher: Die überwiegende Mehrzahl würde ausreisen, doch die selbsternannten Saubermänner kaufen ihnen keine Tickets, sie starten lieber Übergriffe und zerstören den Einwanderern Wohnungen und Läden. Aber das Netzwerk ›Schutz und Betreuung für Migranten‹ greift jetzt genau diesen Gedanken auf: In Kürze eröffnen wir ein Spendenkonto für Flugtickets, die es den legal im Land lebenden Ausländern ermöglichen sollen, in ihre Heimat zurückzukehren. Es steht nämlich zu befürchten, dass diese Menschen nicht ewig tatenlos zusehen, wie man ihre Lebensgrundlage zerstört. Irgendwann werden sie zurückschlagen. Und dann liegt halb Griechenland in Trümmern.«
»Vielen Dank, Aliki«, sagt Mania. »Das war Aliki Ferentinou vom Netzwerk ›Schutz und Betreuung für Migranten‹. Sie hören Radio Hoffnung. Denn es gibt Hoffnung.«
Katerina stellt leiser und blickt mich gut gelaunt an.
»Was ist das?«, frage ich.
»Internetradio. Wir arbeiten schon seit ein paar Monaten daran. Wir wollten nicht in das allgemeine Jammern einstimmen, sondern den Menschen zeigen, dass es Hoffnung gibt. Wir haben dir den Computer mit dem vorinstallierten Symbol geschenkt, damit du uns hören kannst. Denn ich bin auch auf Sendung.«
Sie grinst mich an. »Nun, sag schon, wie findest du das?«
»Wenn es diesen Leuten gelingt, Rückflugtickets zu finanzieren, fällt die griechische Polizei vor lauter Dankbarkeit vor ihnen auf die Knie. Denn es stimmt, es sind wirklich schlimme Ausschreitungen zu befürchten.«
»Dann hör weiter.«
Das will ich gerne tun, nur gerät Katerina durch ihre Aktionen, ohne es zu ahnen, von Minute zu Minute mehr in die Bredouille. Bald wird der Streifenwagen vom Revier in Vyronas nicht mehr ausreichen, und sie wird Bodyguards brauchen. Doch ich spreche das Thema noch nicht an, um ihre Begeisterung nicht zu bremsen.
»An diesem Nachhilfeinstitut unterrichten Lehrer mit Universitätsdiplomen, einige davon sogar mit Masterabschluss«, ertönt Manias Stimme wieder. »Die Adresse ist Ierosolymon-Straße 27. Die Kurse sind gratis für alle, die den Nachweis erbringen, dass ein Elternteil arbeitslos gemeldet ist. Aber auch für die anderen sind die Kursgebühren minimal. Und hier noch eine weitere interessante Nachricht: Stavros hat von seinem Großvater ein Stück Ackerland in der Nähe von Dimitsana in Arkadien geerbt, wo er Bioprodukte anbauen möchte. Wer mitmachen will, kann ihn unter 697 774 433 kontaktieren.« Mania wiederholt die Rufnummer und fügt hinzu: »Sie hören Radio Hoffnung. Denn es gibt Hoffnung.«
Es folgt eine musikalische Pause, in der Katerina zu mir sagt: »Jetzt kommt ein Beitrag, der dich besonders ansprechen wird.«
Mania ergreift wieder das Wort. »Gerade eben haben wir mit Aliki Ferentinou gesprochen, und jetzt haben wir Dimitris Stratidis, genannt Barba-Mitsos, zu Gast. Barba-Mitsos wird uns eine Geschichte erzählen, die vor circa fünfzig Jahren in einem Dorf in Rodopi begonnen hat. Schönen guten Abend, Barba-Mitsos.«
Barba-Mitsos erwidert den Gruß nicht, sondern fragt bloß:
»Also, Mädchen, soll ich hier reinsprechen?«
»Ja, Barba-Mitsos, hier ins Mikrophon. Erzählen Sie unseren Hörern Ihre Geschichte.«
»Tja, ich lebte damals auf dem Dorf. Es war Anfang der
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