Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Ministerrat, deshalb habe ich mich verspätet«, rechtfertigt er sich und verfällt gleich wieder in den offiziellen Tonfall. »Meine Herren, der Ministerrat hat eine dreimonatige Gehaltssperre beschlossen.«
Er verstummt und blickt uns an, um unsere Reaktion zu sehen. Doch welche Reaktion kann man von Leuten erwarten, die gerade vom Schlag getroffen wurden und keinen Finger rühren können? Die bisherigen Gehalts- und Rentenkürzungen waren halbwegs zu verkraften gewesen, doch der Gehaltsstopp trifft uns hart. Zum Glück muss ich keinen Baukredit abstottern, sage ich mir. Zwar bin ich die beiden letzten Raten für mein Auto noch schuldig, aber welcher Händler nimmt einem schon den Wagen wegen zweier fehlender Ratenzahlungen weg? Mit dem Geld, das ich noch auf der Bank habe, kommen wir drei Monate durch. Zur Not könnte ich auch mit der Miete im Rückstand bleiben. Wer aber garantiert mir, dass der Zahlungsstopp nur drei Monate dauert? Die Vorhersagen des griechischen Staates sind so viel wert wie die Prophezeiungen einer Wahrsagerin. Die Frist von drei Monaten kann leicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag verlängert werden.
Katerina und Fanis werden Probleme haben, ohne unseren Zuschuss über die Runden zu kommen. Ausschließlich Fanis’ Gehalt wandert in die Haushaltskasse, und ich weiß nicht, wie sie nach all den Kürzungen drei Monate durchhalten. Katerina verdient kaum etwas, und das wenige teilt sie noch mit Mania. Das von ihnen gegründete gemeinsame Büro für die psychologische und juristische Unterstützung von Drogenabhängigen steckt noch in den Kinderschuhen. Aber das alles bespreche ich besser mit Adriani, denn sie findet für solche Probleme immer eine Lösung.
Ich schaue in die Gesichter der anderen. Die Mienen haben sich verfinstert. Alle denken das Gleiche. Im Grunde glaubt keiner, dass der Gehaltsstopp nur drei Monate dauert oder dass wir danach viel mehr erwarten können als eine Teilzahlung.
»Darüber hinaus muss ich Ihnen mitteilen, dass die Banken geschlossen bleiben, bis der Übergang vom Euro zur Drachme vollzogen ist. An den Bankautomaten können maximal fünfzigtausend Drachmen abgehoben werden, also hundert Euro. Ich weiß, das ist hart, aber wir müssen diese schwierige Zeit jetzt durchstehen«, sagt der Minister.
Keiner von uns regt sich. Wir lassen das leere Gerede über uns ergehen, in unser Schicksal ergeben wie alle Beamten, und schweigen.
»Alle Einsatzkräfte der Polizei werden in Bereitschaft versetzt, um soziale Unruhen zu vermeiden. Von heute an unterstehen Sie alle dem Polizeipräsidenten, der über Ihren Einsatzort entscheidet.« Er hält inne, um zu sehen, ob wir den bitteren Kelch auch bis zur Neige auskosten. Als sich kein Widerspruch regt, fährt er fort: »Es gab eine Telekonferenz mit den Kollegen in Italien und Spanien. Wir haben uns auf eine gemeinsame Strategie für alle drei Länder geeinigt.«
»Gibt es dort auch einen Gehaltsstopp?«, fragt Lambropoulos.
»In Spanien ja, in Italien nicht. Aber in allen drei Ländern bleiben die Banken vorerst geschlossen. Das ist alles. Ich wiederhole, ab heute stehen sie alle dem Polizeipräsidenten zur Verfügung. Ich möchte nicht, dass Athen im Chaos versinkt, wenn demnächst die Führungskräfte von Europol anreisen. Sie wissen, was uns sonst blüht.«
Zum ersten Mal erlebe ich einen Minister, der niemanden – nicht einmal den Polizeipräsidenten – um seine Meinung fragt, sondern alles im Alleingang bestimmt. Hinzu kommt, dass die Menschen von großen Sorgen geplagt werden und sich ihre Wut gegen die Polizei jeden Augenblick explosionsartig Luft machen kann. Mit diesem blasierten Minister ist es nur eine Frage der Zeit, wann die Polizei auf der nächstbesten Bananenschale ausrutscht und griechenlandweit von den Medien vorgeführt wird.
»Jetzt wissen Sie, woran Sie sind«, sagt Gikas, als wir wieder in seinen Wagen steigen. »Ich rate Ihnen, keinen Formfehler zu begehen. Bei dem gibt’s keine Extrawürste, und ich bin nicht in der Lage, Sie zu schützen. Das sage ich, damit Sie wissen, was auf Sie zukommt.«
»Wer sind die Führungskräfte, die erwartet werden?«
»Weiß ich nicht genau, aber es sind hohe Tiere. Da wir nicht dazugehören, kann es uns auch egal sein.«
Das klingt bitter, nachdem man ihm die Möglichkeit genommen hat, auch ein hohes Tier zu werden.
3
Mein Scheitern am Computer scheint vorprogrammiert. Kaum habe ich ihn angemacht und Koulas schriftliche Anweisungen vor mir ausgebreitet,
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