Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
läutet das Telefon. Esperoglou ist dran, der Leiter der MAT -Sondereinsatztruppe.
»Alle sind zum Syntagma-Platz beordert. Anweisung des Polizeipräsidenten.«
»Was ist los? Eine Kundgebung?«
»Ja, und international noch dazu. Zwei Blöcke aus Italien und Spanien unterstützen die einheimischen Demonstranten. Ich fürchte, das wird so eine Art Generalprobe.«
»Generalprobe? Wofür?«
»Für den Krieg zwischen den Nord- und den Südstaaten. Mit hundertfünfzigjähriger Verspätung haben wir amerikanische Verhältnisse.«
»Oder es handelt sich um eine Neuauflage des Ersten Weltkriegs.«
»Beides ist möglich«, seufzt er ergeben. »Sie finden mich vor dem Parlament. Wenn Sie herkommen, zeige ich Ihnen Ihre Position.«
»Wie viele Leute soll ich mitnehmen?«
»Alle bis auf einen. Der soll die Stellung im Präsidium halten.«
Ich hole die eine meiner beiden Uniformen aus dem Spind, die andere habe ich zu Hause in Reserve.
Koula ist es, die schließlich die Stellung hält. Zum Einsatz nehme ich meine beiden Assistenten Vlassopoulos und Dermitsakis mit sowie Papadakis, den man mir vor drei Monaten zugewiesen hat. Zwei Jahre hat es gedauert, bis man mir den beantragten Assistenten endlich bewilligte. Er ist ein alter Hase, doch da er keine Beziehungen hat, landete er bei mir. Mit Vitamin B hätte er sich ins gemachte Bett legen können. Doch Papadakis wurde vor die Wahl gestellt: entweder Einsatz im Migrantenviertel Ajios Panteleimonas oder Mordkommission. Er zog Letzteres vor, mutmaßlich das kleinere Übel. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob unsere Abteilung – angesichts der allgemeinen Lage – tatsächlich das kleinere Übel ist.
Die Strecke vom Vassilissis-Sofias-Boulevard hinunter zum Syntagma-Platz ist für den Verkehr gesperrt, und mit heulender Sirene erreichen wir in kürzester Zeit das Parlament.
»Wo ist unser Einsatzort?«, frage ich Esperoglou, der unsere Truppe inspiziert.
»Sie sind ja nicht gerade zahlreich. Ich würde sagen, Sie verteilen sich auf der Stadiou- und Ermou-Straße. Wenn Krawallbrüder auf Sie zukommen, verständigen Sie uns sofort. Dann ziehen Sie sich in die Nebenstraßen zurück, und wir übernehmen das. Vorsicht, lassen Sie sich nur nicht provozieren! Die sind auf Randale aus. Die Demo beginnt am Polytechnikum und führt über die Stadiou-Straße zum Syntagma-Platz. Die normalen Teilnehmer lassen wir passieren.«
Ich schicke Vlassopoulos und Dermitsakis in die Ermou-Straße und nehme Papadakis mit zur Stadiou-Straße. Dann postiere ich ihn an der Ecke zur Voukourestiou-Straße, wo er kontrollieren soll, ob eventuell ein Trupp Raufbolde von der Panepistimiou-Straße her einfällt, und ich selbst nehme meine Position vor dem Kolokotronis-Denkmal ein.
Am 2. Januar sind die Geschäfte wie immer geschlossen, und nur wenige Passanten sind unterwegs. Darüber hinaus wurde das Zentrum wegen der Demo abgeriegelt. Zwei Männer in den Siebzigern kommen vom Alten Parlament auf mich zu und bleiben vor mir stehen.
»Das ganze Polizeiaufgebot ist für die Katz«, erklärt mir der eine. »Da kommen nur ein paar Versprengte, ihr werdet schon sehen. Armut und Verzweiflung machen nicht gerade Appetit auf Demos, stimmt’s?«
»Ihr habt Glück, dass heute die Supermärkte zu sind«, meint der andere. »Ab morgen geht die Post ab! Die Leute werden zusammenraffen, was sie können, und ihr müsst alle Filialen bewachen.«
Ich tue so, als hätte ich nichts gehört. Sie sind sichtlich enttäuscht, da sie Lust auf einen kleinen Plausch gehabt hätten. Schließlich setzen sie ihren Spaziergang fort, während die Parolen der Demonstranten, die sich allmählich nähern, hörbar werden.
Der Alte hat recht, stelle ich fest. Es dürften nicht mehr als tausend Teilnehmer sein, lauter junge Leute um die dreißig. Vorneweg marschieren Griechen mit zwei Spruchbändern: »Nie wieder Euro-Sklaven!« und »Schluss mit all den Qualen, lieber mit der Drachme zahlen!« In der zweiten Reihe halten zwei junge Burschen und eine Frau drei Pappfiguren in die Höhe, die Mitglieder der Troika darstellen. Darunter hängt ein Transparent mit dem Spruch: »Die sind wir los!«
Hinter ihnen folgen die ausländischen Teilnehmer mit ihren Spruchbändern. Doch der Protest scheint für sie eher eine Pflichtübung als eine Herzensangelegenheit zu sein.
Vereinzelt stehen Zuschauer am Straßenrand, rufen bravo und applaudieren. Eine Reporterin baut sich mit ihrem Kamerateam genau vor meiner Nase auf, als der
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