Abschaffel
voller Begeisterung. »Er arbeitet, er arbeitet«, sagte einer der Männer mit vergnügter Stimme. Die Bedienung des Automaten war einfach. Auf einer Tafel waren die Namen von vielen großen und mittleren Städten aufgeführt, und vor jedem Städtenamen war eine Nummer eingezeichnet. Das war die Kennummer des Zielbahnhofs, wie der Automat es nannte. Diese Kennummer mußte auf einem Knopf eingetastet werden, und auf einer anderen Taste mußte der gewünschte Abfahrtszeitraum eingedrückt werden. Dann summte und ruckelte es in dem Automaten eine Weile, und nach kurzer Zeit rutschte aus einer Öffnungslasche ein Papierbogen heraus, auf dem tatsächlich alle Zugverbindungen in dem gewünschten Zeitraum aufgedruckt waren. Ungläubig hielten die Männer die Papierbogen in der Hand und zeigten sie herum. Aus ihren Bemerkungen war zu sehen, daß viele eine Zugverbindung zu erfahren wünschten, die sie vorher schon an einem Auskunftsschalter erfragt hatten. Die Männer wollten nur die Maschine kontrollieren, und weil die Maschine dieser Kontrolle standhielt, wurde sie als prächtige Maschine eingestuft. Die Männer lachten. Abschaffel hatte Lust, sich ebenfalls eine Fahrplanauskunft geben zu lassen. Er stellte sich nahe an die Liste mit den Städtenamen heran und las. Überraschend tippte er auf Dortmund, wo er wahrscheinlich niemals hinfahren würde, und zwar wollte er eine Verbindung zwischen 14 und 16 Uhr. Die Männer beobachteten Abschaffel. Er hatte nicht recht bedacht, daß er so viele Zuschauer haben würde, und er wollte schon einen Schritt zurücktreten, damit er selbst in der ersten Zuschauerreihe stehen konnte. Damit hätte er aber zugegeben, daß er mit der Beachtung, die er für seine Person selbst hervorgerufen hatte, nicht zurechtkam. Indessen summte und ruckelte der Automat, gleich mußte der Papierbogen herausrutschen. Als Ersatz für den Rückzug, der ihm nicht gelang, senkte er den Kopf. Abschaffel griff eilig in die Luke des Automaten und holte sich den Bogen heraus. Einige Männer drängten an Abschaffel heran, weil sie auch seinen Bogen aus der Nähe sehen wollten, aber Abschaffel entwich ihnen. Er hielt sich den Bogen dicht vor das Gesicht und ging weg. In einiger Entfernung warf er das Papier weg und war froh, all den Umständen entronnen zu sein.
Er lief sofort in eine Imbißstube hinein. Hier gab es Würstchen, halbe Hähnchen, Brot und Bier, und Abschaffel bestellte ein halbes Huhn und ein Bier. Er erhielt seine Bestellung sofort auf einem Pappteller gereicht. Aus Bösartigkeit verlangte er Besteck, und die Frau hinter der Theke reichte ihm ein kinderbesteckgroßes Plastikmesser und eine ebensolche Gabel. Er transportierte sein Huhn und das Bier an einen freien Platz an einem der Stehtische, an dem bereits drei Männer mit zurückgeschobenen Anzugärmeln standen und ebenfalls halbe Hühner aßen. Sie schwiegen und sahen mit großen Augen umher. Die drei Männer stachen mit ausgestreckten Fingern in die Hühner hinein und lösten weiche Fleischstücke ab, die sie sich waagerecht in den Mund einführten. Abschaffels Huhn war versalzen und alt, die Backkruste drumherum war grob und geschmacklos. Abschaffel löste Stück für Stück mit seinem Plastikbesteck. Das Besteck bog sich zur Seite, wenn er zu sehr draufdrückte, und Abschaffel überlegte, was sich ergeben könnte, wenn er absichtlich den Druck auf die Gabel so sehr verstärkte, daß sie brach. Die drei Männer beobachteten ihn nicht. Sie fetzten gierig ihre Hühner klein. Und wirklich verstärkte Abschaffel den Druck auf die Plastikgabel so sehr, daß sie brach. Für den Fall, daß es jemand beobachtet hatte, hatte er ein enttäuschtes und überraschtes Gesicht bereit, das die Schuld an diesem Zwischenfall auf das brüchige Plastikbesteck schob. Abschaffel ging sofort dazu über, mit dem übriggebliebenen Gabelzinken weiterzuessen. Dadurch wurde das Essen eine halb artistische Darbietung, an der Abschaffel nicht so viel Freude hatte, wie er sich eigentlich vorgestellt hatte. Wieder hatte er es so weit gebracht, sich zu behindern und einzuschränken und in einer bedauernswerten Haltung weiterzumachen. Geduldig wie ein Häftling aß er noch eine Weile weiter. Er sah auf vom Teller, weil er sehen wollte, welche Wirkungen sein behindertes Essen auf die Männer hatte. Sie sahen weg, sobald er aufschaute. Allen war etwas peinlich geworden, aber derjenige, der öffentlich litt, war jedenfalls Abschaffel. Das gefiel ihm eine Weile, aber nicht allzu
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