Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
»pssst«. Nur ihre ruhigen, regelmäßigen Atemzüge dringen an sein Ohr.
Das kann übrigens nicht jeder, denkt Perler, einfach abschalten. Bei den meisten arbeitet, denkt, entscheidet es weiter. Das sind dann eben die, bei denen es eines schönen Tages krack! macht. Die werden innerlich aufgefressen, bis nur noch die Hülle übrig ist. Und dann, beim geringsten Anlass: krack!
Weimann ist so einer, denkt Perler. Er könnte wetten, dass Weimanns Regenerationsperformance zu wünschen übriglässt. Das wird ihm eines Tages das Genick brechen. Krack! Jetzt mag er – oberflächlich betrachtet – Perler gegenüber noch im Vorteil sein. Jedenfalls präsenzzeitmäßig. Aber der Mann ist kein Regenerierer, da ist sich Perler sicher. Allein die Vorstellung, Weimann könnte jetzt noch im Bett liegen und die Atemzüge seiner Frau zählen, erscheint ihm grotesk.
Ein Geräusch lenkt Perler von der Regeneration ab. Etwas Rauhes im sanften Atmen von Bea. Könnte es der Ansatz eines Schnarchens sein? Perler wundert sich. Nicht über das Schnarchen an sich, sondern über den Zeitpunkt. Normalerweise passiert Bea das in ihrer Tiefschlafphase. Aber Tiefschlafphase um neun Uhr achtundzwanzig?
Das soll ihm Weimann einmal nachmachen: am Sonntagmorgen um neun Uhr achtundzwanzig in der Falle liegen, neben ihm die Frau in der Tiefschlafphase!
Eines Tages werden das die Reserven sein, die Perler im entscheidenden Moment gegen Weimann wird mobilisieren können. Wenn der sich ausgekotzt hat, wenn Perler ihn durch alle Posten seiner Karriere vor sich hergehetzt hat, wird er ihn auf den letzten Metern überspurten.
Beas Atem geht jetzt wieder ruhig. Perler stellt sich vor, wie er Weimann überspurtet. Er hängt in seinem Windschatten und regeneriert, bis Weimann nachlässt. In diesem Moment spaziert Perler nach vorn. Weimann fällt zurück, hat keine Luft mehr. Krack!, tönt es, weit hinter Perler.
Um zehn Uhr achtzehn deutet alles darauf hin, dass Bea am Aufstehen ist. Aber dann dreht sie sich doch noch einmal um. Erst um zehn Uhr zweiundvierzig quält sie sich endlich aus den Laken.
Perler gähnt dankbar. Er wird nur noch bis elf Uhr zwölf liegen bleiben müssen.
Denn am Sonntag ist Perler immer als Letzter aus den Federn.
Wie sag ich es Anita
Decker kommt ins Wohnzimmer zurück und setzt sich neben Anita aufs Sofa.
»Kann Ian lesen?«, fragt er nach einer Weile.
»Wie kommst du darauf? Ian ist fünf.«
»Er hat mich vorhin gebeten, Licht zu lassen. Er wolle noch lesen.«
»Er nennt es lesen.«
»Ach so.«
Anita zappt durch die Programme. Decker schenkt die beiden Rotweingläser voll. »Schöner Vater«, sagt er, »der nicht einmal weiß, ob sein Jüngster lesen kann.«
»Das kannst du laut sagen«, antwortet Anita, überrascht, dass er es ist, der davon anfängt. Das ist sonst ihr Thema. »Kürzlich hat er mich gefragt, warum er dich nie besuchen darf wie der Christoph seinen Papi. Christophs Eltern sind geschieden.«
Decker ist die Anekdote nicht neu. Aber er erwähnt es nicht. Das Gespräch läuft in die richtige Richtung. Er schüttelt den Kopf und seufzt. »Du hast schon recht, es lässt sich kaum vereinbaren: Karriere und Familie.«
»Wem sagst du das«, antwortet Anita und zappt weiter.
Decker nimmt einen Schluck Wein und vergisst das Glas in der Hand. »Weißt du, wie lange es her ist, dass ich die Kinder an einem Wochentag wach angetroffen habe?«
»Fünf Wochen. An dem Tag, als du Grippe hattest.«
»Das ist doch nicht normal, so etwas.«
»In deinen Kreisen offenbar schon.«
»In meinen Kreisen!«, stößt Decker verächtlich aus.
Das sind neue Töne für Anita. Sie schaltet den Fernseher ab und nimmt auch einen Schluck Wein. »Alles o.k.?«
»Alles o.k.«, bestätigt Decker tapfer. »Es ist nur – manchmal fragt man sich: Wozu das alles? Was nützt einem die Karriere, wenn die Familie darunter leidet?«
Anita braucht nicht zu antworten. Der Satz ist wörtlich aus ihrem Repertoire übernommen.
»Weißt du, was ich wieder einmal möchte?«, fährt Decker nach einer Pause fort. »Drei Wochen ans Meer. Baden, schlafen, essen, lesen, mit den Kindern herumtollen und so weiter.«
Bei »und so weiter« legt Decker den Arm um Anita. »Ich dachte, drei Wochen am Stück liegen nicht drin?«, wundert sie sich.
Jetzt ist der Punkt gekommen, an dem Decker Anita beibringen wird, dass ihm Sager heute eröffnet hat, dass er, Decker, das Synergieopfer ist, das die Regionen-Zusammenlegung in der
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