Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
Verladerampen, die Hubstapler, die Abfüllanlagen. Schnüriger hofft, dass das eine vorübergehende Vorliebe für das Handwerkliche ist. Aber Alec ist fasziniert vom Unternehmerischen. Während Jeno sich bei den Führungen durch das verwaiste Verwaltungsgebäude auf jeden Locher, Bostitch und Büroklammern-Magneten stürzt, bewegen Alec die strukturellen Fragen.
»Ist der Mann, der in diesem Büro arbeitet, höher als die Frau, die im kleinen Büro daneben arbeitet?« Oder: »Wer verdient mehr, der Mann mit dem großen Stuhl mit der hohen Lehne oder der Mann mit dem kleinen Stuhl?«
Alec entwickelt so sehr schnell ein Gespür für Organigramme und Hierarchien, während Jeno lange Zeit nicht vom Berufswunsch ›Bohnermaschinenführer‹ abzubringen ist, seit sie an einem Samstagvormittag in der Disposition einer Putztruppe begegnet sind.
Die Interessen der beiden Sprösslinge treffen sich jeweils in Schnürigers Büro: Alec sitzt im dreifach verstellbaren Chefsessel und trifft Entscheidungen, Jeno bedient die Verstellhebel. Die Stunde oder so, die die beiden mit diesem Spiel beschäftigt sind, nutzt Schnüriger für die Erledigung einiger dringender Pendenzen.
So schafft es Gustav Schnüriger bei aller beruflichen Belastung doch, seinen Söhnen Vater und Identifikationsfigur zu sein. Beiden auf ihre Weise.
Auch an den Abenden, wenn Schnürigers Gäste empfangen, lässt er sie teilhaben. Nie müssen sie ins Bett, bevor nicht alle eingetroffen sind. Die meisten bringen etwas mit für die Kleinen.
Den Thalmanns (er ist Marketingleiter eines bedeutenden Abnehmers von Schnüriger) passiert dabei ein Missgeschick: Sie wissen nicht, dass ihre Gastgeber zwei Söhne haben – Schnüriger hat immer nur den älteren erwähnt –, und bringen nur einen Schoggi-Osterhasen mit. Gustav Schnüriger rettet die Situation: »Das ist doch großartig. Eine richtige Management-Aufgabe. Das passiert dem Papi und dem Herrn Thalmann auch manchmal. Es kommt weniger herein, als du budgetiert hast. Wie löst du das Problem, Alec? Jetzt kannst du mal zeigen, ob du das Zeug zum Manager hast.«
Eine halbe Stunde später kommt Jeno laut weinend ins Esszimmer. »Alec hat mich entlassen«, schluchzt er.
Rohner lässt sich ein
Vreni Rohner verliert nicht so leicht die Nerven. Kann sie auch nicht, mit drei Kindern und Jakob Rohner als Mann. Aber als dieser eines Abends wieder mit den Worten nach Hause kommt: »Ich muss zuerst eine Stunde abschalten, ich hab’ momentan irrsinnig viel um die Ohren«, rastet sie kurz aus.
»Momentan, momentan, momentan! Weißt du, seit wann du momentan viel um die Ohren hast? Seit 1988, als wir uns kennenlernten!«
Rohner zieht sich beleidigt zurück und versucht abzuschalten. Was ihm natürlich nicht gelingt, nach dieser Szene. Nach einer Stunde geht er in die Küche. Sylvi, Ken und Lilith haben schon gegessen und sind im Pyjama.
»Also, hier bin ich«, sagt Rohner. Die Kinder schauen ihre Mutter an. »Schön«, sagt sie.
Eine volle halbe Stunde gibt er sich intensiv mit den Kleinen ab. Er fragt sie, was sie heute erlebt haben, stemmt jedes einmal in die Luft und zeigt ihnen, wie man den Daumen abschraubt, bis Sylvi die Augen zufallen. Er hilft sogar, sie ins Bett zu bringen.
Später im Wohnzimmer sagt Vreni: »Man kann auch abschalten, indem man mit den Kindern spielt.«
»Tu’ ich ja.«
»Nein, du schaltest zuerst ab, und dann beschäftigst du dich mit den Kindern wie ein Onkel, der selten zu Besuch kommt. Du lässt dich nicht ein.«
»Wie meinst du das?«
»Spiel einmal ihre Spiele. Kriech mit ihnen auf dem Boden herum, lass dich auf ihre Welt ein. Du wirst sehen, danach fühlst du dich wie neugeboren.«
Rohner verspricht, gleich morgen damit zu beginnen, sonst kommt er noch lange nicht ins Bett.
Am nächsten Abend erinnert ihn Vreni an sein Versprechen. Seufzend geht er ins Kinderzimmer, kniet sich zwischen seinen verdutzten Nachwuchs und lässt sich auf die Welt ein, die aus Legosteinen, Spielzeugautos, Ponys mit langen Mähnen und einem Teddybären besteht.
»Brrm, brrm«, macht Sylvi, die Jüngste, und schiebt den Teddybären durch einen Parcours aus Legosteinen.
»Auto«, sagt Rohner.
Die Kinder wechseln vielsagende Blicke. »Bär«, korrigiert Sylvi.
»Und was wird das, wenn es fertig ist?«, fragt er Ken und zeigt auf ein Legogebilde.
»Es ist fertig«, antwortet sein Sohn.
Rohner, der vom Background her ein technischer Mensch (Maschineningenieur) ist, muss raten: »Eine
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