Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
Regionalverwaltung Ost fordern wird. Er wird es natürlich nicht so formulieren. Er wird sagen, dass die Regionalrestrukturierung ihm endlich die Chance bietet, einen Marschhalt einzulegen und sich neu zu orientieren. Spät, aber wie er hoffe, nicht zu spät, habe er die Notbremse gezogen und die Voraussetzungen geschaffen, die es ihm erlauben, die Prioritäten neu zu setzen.
»Anita, ich habe eine wunderbare Nachricht für uns alle«, hätte sein erster Satz gelautet.
Aber Anita kommt ihm zuvor: »Sag bitte nicht, die haben dich rausgeschmissen!«
Etter an der Basis ( I )
Die Bemerkung ist natürlich ironisch gemeint. »Soll in Zukunft ich einkaufen gehen?«, fragt Etter seine Frau, als er spät von der Marketingtagung heimkommt, sich zum Abschalten noch ein Bierchen genehmigen will und keines findet. Vielleicht liegt es daran, dass Sylvia schon geschlafen hat, als er sie fragte: »Irre ich mich, oder gibt es in diesem Haushalt tatsächlich kein einziges Bier?«
Es entspannt sich ein kurzes Gespräch über die Probleme des Hausfrauenberufs, das, wie gesagt, in der Frage »Soll in Zukunft ich einkaufen gehen?« gipfelt. Sylvia beantwortet sie mit einem schlaftrunkenen »Ja«.
Am nächsten Morgen ist Samstag. Etter erscheint spät zum Frühstück und findet Sylvia ebenfalls noch im Pyjama mit der Zeitung bei einer Tasse Kaffee. »Bist du krank?«, fragt er.
»Nein«, antwortet sie, »ich genieße einfach den freien Tag. Die Einkäufe machst ja jetzt du.«
Er ahnt, dass Sylvia gestern Nacht im Halbschlaf die Ironie seiner Bemerkung entgangen sein muss. Wie gründlich wird ihm aber erst klar, als sie ihm einen Einkaufszettel über den Frühstückstisch schiebt.
Etter nimmt die Herausforderung an. Wenn seine Frau der Meinung ist, es sei einem zu hundertfünfzig Prozent ausgelasteten, hochspezialisierten Turnaround-Manager tatsächlich zuzumuten, in seiner spärlich bemessenen Freizeit auch noch den Hausmann zu spielen, dann bitte sehr. Er trinkt seinen Kaffee, macht seine Morgentoilette und zieht sich an. Er entscheidet sich für einen seiner Business-Anzüge und eine Krawatte ohne Freizeitmotiv. Die Leute sollen nur sehen, dass hier einer, der normalerweise bedeutendere Aufgaben zu bewältigen hat, sich nicht zu schade ist, auch einmal in die Niederungen der täglichen Verrichtungen hinabzusteigen. Er überträgt die Positionen des Einkaufszettels auf seinen Laptop und speichert sie auf dem Palm. Gerade für die Erledigung der banaleren Dinge sollte man nicht auf zeitgemäße Tools verzichten. Er verabschiedet sich betont vorwurfslos von Sylvia und fährt los.
Die erste Schwierigkeit überwindet Etter souverän: Die Einkaufswagen im Supermarkt sind aneinandergekettet und noch nicht für den bargeldlosen Zahlungsverkehr eingerichtet. Anstatt zu versuchen, seinen Hundertdollarschein, den er für Notfälle bei sich trägt, zum Tageskurs in Schweizer Franken zu wechseln, entscheidet er sich für einen nicht angeketteten Tragekorb. Damit mischt er sich unter die Freizeitlooks und Artikel des täglichen Bedarfs, fest entschlossen, diese praktische Erfahrung an der Konsumbasis zur Erweiterung seines großen Marketing-Know-hows einzusetzen.
Etter an der Basis ( II )
Etter ist an diesem Samstag im Supermarkt der einzige Kunde im Business-Anzug. Auch der einzige, der mangels Kleingeld ohne Einkaufswagen unterwegs ist. In der linken Armbeuge hängt sein Tragekorb, in der Rechten hält er den Eingabestift, in der Linken seinen Palm mit der Einkaufsliste. So streift er suchend durch die Regale. Vielleicht hätte er Sylvias handgeschriebenen Einkaufszettel, nachdem er ihn in den Computer übertragen hatte, nicht alphabetisch sortieren sollen. So kamen »300 g Bündnerfl. mittelf. geschn.« zwischen »2 kg Orangen« und »4 Rollen Haushaltpapier« zu stehen. Eine Logik, der die Rayons des Supermarktes genauso wenig folgten wie der unmittelbaren Nachbarschaft von »6 Bier« mit »Blumenkohl, wenn mögl. bio!«
Etter ist gezwungen, deduktiv vorzugehen: Er schlendert an den Regalen, Schütten und Kühltruhen vorbei und sucht das Warenangebot auf Übereinstimmungen mit seinem Palm ab. Immer, wenn er auf eine Kongruenz stößt, legt er sie in den Korb und hakt sie mit dem Eingabestift auf der Einkaufsliste als erledigte Aufgabe ab. Worauf sie mit einem trockenen Klicken vom Bildschirm verschwindet.
Aber während im Business-Alltag jedes Klicken einer erledigten Pendenz eine Erleichterung darstellt, bedeutet es hier an
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