Abschalten: Die Business Class macht Ferien (German Edition)
Badezimmer wartet ein kuscheliger mitternachtsblauer Frotteemantel mit der goldenen Aufschrift »The Gremlin«. Den zieht er sich an. Er schlüpft in die Frotteepantoffeln in der gleichen Farbe und mit dem gleichen Schriftzug und geht zur Minibar. Er gießt sich einen Glenfiddich ein und setzt sich in den bequemsten Sessel der Sitzgruppe.
Draußen fällt ein gleichmäßiger Londoner Regen. Der Single Malt riecht nach Torffeuer und Eichenholz. Belmann lässt sich viel Zeit für den ersten Schluck.
Gelegentlich wird er sich ein Bad einlaufen lassen. Und im heißen Wasser wird er die Karte des Room Service studieren und sich entscheiden, ob er sich etwas aufs Zimmer kommen lässt oder lieber ins Restaurant runtergeht. Und falls, ob er sich für Old English oder New Asian entscheidet. Im Zimmer wäre es gemütlicher. Aber die Bar sah auch sehr gemütlich aus. Und Belmann liebt englische Barmen. Und morgen kann er ja etwas ausschlafen. Das Meeting ist erst um zehn. Die Leute von Smith & Colbert glauben, er komme mit der Morgenmaschine.
Irgendwann nach dem Bad und vor der Bar erinnert sich Belmann an den traditionellen Anruf bei seiner Frau.
»Wie geht’s dir, Schatz?«, fragt sie.
»Beschissen«, seufzt er, »schon wieder eine Nacht in einem dieser seelenlosen Business-Hotels.«
Brühwilers Intimsphäre
Gustav Brühwiler liegt in der Badewanne. Er hat das Wasser großzügig mit Lavendelmilch versetzt, sie sei »entspannend und harmonisierend«, steht auf der Flasche. Kein Luxus für einen, der wie Brühwiler Tag und Nacht in den Sielen liegt, um ein angesehenes mittleres Unternehmen im tiefen Geläuf der Konjunkturflaute auf Trab zu halten.
Es ist Sonntag, die Kinder sind irgendwo, er hat es sich nicht gemerkt, seine Frau Sophie betreibt gerade eine ihrer ständig wechselnden Sportarten, eventuell Walking, jedenfalls kommt sie nicht vor Mittag zurück, so viel hat er behalten.
Er genießt die Schwerelosigkeit seines Körpers, ein Zustand, der normalerweise nicht seinem Körperbau entspricht. Durch die halbgeschlossenen Augen sieht er die Umrisse seines weißen Leibs im milchigen Wasser verschwimmen.
Vielleicht ist es das Körperliche der Situation, das Brühwiler an Frau Dettling denken lässt, Frau Federmanns neue Assistentin. Sie hat von Anfang an sein Interesse geweckt. Vor allem das an der Tätowierung, die links und rechts ihres modisch freien Bauchnabels beginnt, im Bund verschwindet und – wie weiter verläuft? Vielleicht täuscht er sich, aber Frau Dettling hat ihm bei ihrer ersten gemeinsamen Liftfahrt den Eindruck vermittelt, als hätte sie nichts dagegen, die Frage gelegentlich zu erläutern, zumindest theoretisch.
Vielleicht sollte er gleich am Montag einen Vorstoß unternehmen, denkt er, öffnet mit dem großen Zeh den Wasserhahn und füllt heißes Wasser nach. Er könnte sie unter einem Vorwand ins Büro bestellen und zu einem Drink einladen und dann fragen, ob sie schon einmal in der eigenen Stadt im Hotel übernachtet habe.
Aus der Perspektive seiner Badewanne voll neununddreißig Grad heißem Lavendelmilchwasser scheint der Plan so machbar, dass Brühwiler sich bald auf die Details nach der erfolgreichen Durchführung konzentriert. Aber genau an der Stelle, wo Frau Dettling und er unauffällig auf den Hotellift zusteuern, wird er aus seinem Badewannentraum gerissen. Was, wenn sich ein Paparazzo an seine Fersen geheftet hat und ihn knipst, in der Linken den Zimmerschlüssel, in der Rechten Frau Dettlings bauchfreie Taille?
Brühwiler angelt sich die Dusche und spült sich das Shampoo vom schütteren Haar. Er ist immerhin Direktor eines mittleren Industriebetriebs und nicht unwichtigen Arbeitgebers der Region. Und damit auch irgendwie eine öffentliche Person. Fällt seine fiktive Erforschung von Frau Dettlings Tattoo noch in den Bereich der Privatsphäre? Und falls ja, hat er sich die Respektierung derselben durch die Medien nicht vielleicht schon durch den geplanten öffentlichen Auftritt verscherzt?
Brühwiler stemmt sich aus der Badewanne und trocknet sich ab. Soll er auf den Drink mit Frau Dettling verzichten?
Oder doch lieber sein Foto aus dem Presseversand an die Technische Rundschau entfernen lassen.
Ein Mann am Ziel
»Seit Erichs letzter Beförderung ist er plötzlich viel mehr zu Hause«, sagt Ruth Zumbühl und tunkt ihr Sushi in die Soja-Wasabi-Mischung. Caroline Mayer kann nicht antworten. Die Alge, in die ihr letztes Norimaki Sushi gewickelt war, ist etwas zäh.
»Es
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