Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
Vom Netzwerk:
Was für ein deprimierendes, hoffnungsloses Bild es im Grunde ist, das ich hier an der Wand hängen habe.
    »Wie du willst.« Marius grinst freudlos. »Aber darf ich dich daran erinnern, dass du zwei Häuser besitzt und dass es nicht gerade Hühnerställe sind?«
    »Die gehören der Bank.«
    »Auch das Firmengebäude?«
    Ich nicke widerwillig.
    »Komisch. Mir hat man erzählt, du hättest es von deinem Vater geerbt, und der wiederum von deinem Großvater.«
    »Es ist mit einer hohen Hypothek belastet.«
    »Soll das ein Witz sein?«
    Ich antworte nicht. Außer Bernard Lely und einigen Bankangestellten weiß niemand von meiner prekären finanziellen Lage. Und jetzt sitze ich hier und muss ausführlich mit diesem Abschaum darüber diskutieren.
    »Und dein Auto? Der Jaguar?«
    »Geleast. Über die Firma.«
    Er stößt ein ungläubiges, kehliges Geräusch aus.
    »Ist das dein Ernst? Du hast …«
    »Schulden«, unterbreche ich ihn tonlos und sehe ihn dann ausdruckslos an. »Ich habe Schulden. Alles gehört der Bank. Claire weiß nichts davon, und sie darf auch nichts davon erfahren. Ich balanciere schon seit Jahren am Rande des Ruins.« Ich suche seinen Blick und schaue ihm in die Augen. »Ich habe keine zweihunderttausend, und ich kann sie auch nicht aufbringen oder als Kredit aufnehmen. Das ist völlig ausgeschlossen.«
    »Ich könnte fast schon Mitleid mit dir bekommen … Fast aber nur.« Er kratzt sich am Hals. »Tja … Wenn ich du wäre, würde ich doch mal bei deinem Frauchen nachhaken. Ich habe nämlich den dumpfen Verdacht, dass sie irgendwo einen gut gefüllten alten Sparstrumpf vor dir verborgen hält.«
    Wieder schüttele ich den Kopf. »Ausgeschlossen«, wiederhole ich. »Das ist völlig ausgeschlossen.«
    »Ach ja?« Er grinst. »Nun, wenn du deiner Sache so sicher bist … Lass uns einmal gemeinsam gründlich darüber nachdenken. Angenommen, sie behauptet dir gegenüber steif und fest, sie hätte das Geld nicht. Oder sie hätte es einmal gehabt, aber alles auf den Kopf gehauen.« Er steht auf, und ich weiche unwillkürlich zurück, aber er setzt sich seitlich auf meinen Schreibtisch. Erneut nimmt er das Foto von Fleur und Charlotte in die Hand und betrachtet meine beiden Töchter in ihren pastellrosa Skianzügen. »Was würden sie wohl von diesem ganzen Schlamassel halten, Harald? Später, wenn sie älter sind und alles erfahren? Oder schon früher, in der Schule. Kinder können ja so grausam sein, stimmt’s?« Er sieht mich nicht an, stellt das Foto hin und setzt sich wieder in den Sessel. »Ich nehme doch an, du hast Vorkehrungen getroffen, für den Fall, dass Claire etwas zustoßen sollte? Bestimmt hast du Geld zurückgelegt, um eine Vollzeitbetreuung sicherzustellen, eine Nanny, oder wie so ein Kindermädchen heutzutage heißt. Ich halte dich für ganz in Ordnung, Harald, und für sehr vernünftig. Bestimmt überlässt du nichts dem Zufall und hast entsprechende Versicherungen abgeschlossen?« Jetzt schaut er mir geradewegs ins Gesicht. »Claire ist doch versichert, oder?«
    Ich schlucke. Er hat recht. Für mich habe ich eine Lebensversicherung über fast eine Million abgeschlossen, für Claire eine über eine Viertelmillion. Für alle Fälle.
    »Würde es reichen?«, fragt er berechnend. Seine Augen scheinen jetzt noch tiefer in den Höhlen zu liegen, und er kneift sie halb zu. Zum ersten Mal ist das Grinsen von seiner Visage gewichen. Er meint es todernst.
    Ich blicke erschrocken auf. »Nein. Über so etwas will ich nicht reden. Das geht zu weit.«
    Er steht auf, zieht sein Sakko zurecht und blickt auf mich hinunter. »Na schön, mein Freund, wie du es anstellst, ist mir egal, Hauptsache, du schaffst es.« Mit ein paar Schritten ist er hinter mir und legt mir die Hände auf die Schultern. Sie fühlen sich bleischwer an, wie zwei Ambosse. »Ich verstehe, dass du Zeit brauchst. Was du heute erfahren hast, musst du erst einmal verkraften. Sprich dich mit ihr aus, versuche, damit ins Reine zu kommen. Du hast eine nette Frau, sehr nett sogar, abgesehen davon, dass sie höchstwahrscheinlich ein verlogenes Luder ist …« Zum Abschied drückt er meine Schultern fast zu Mus und geht dann zur Tür. Mit der Hand auf der Klinke dreht er sich noch einmal um. Leise sagt er: »Irgendwie tust du mir schon ein bisschen leid. Deswegen gebe ich dir zwei ganze Wochen. Vierzehn Tage. Bis dahin solltest du das Geld für mich bereithalten. Zweihunderttausend. In bar.«
    Verwirrt sehe ich ihn an. »Und sonst?«
    Grinsend

Weitere Kostenlose Bücher