Abschied aus deinem Schatten
erdenkliche Art versucht, für ihre Verfehlungen Abbitte zu leisten. Weil du ihr nicht gleichgültig bist, und weil auch du sie magst. Du hast selbst gesagt, man lässt keine Freundschaft, die fünfundzwanzig Jahre gehalten hat, so mir nichts, dir nichts in die Brüche gehen.”
„Das hätte sie sich vielleicht vorher überlegen sollen, bevor sie öffentlich Amok läuft!”
Er zog die Stirn kraus. „Ja, ich weiß, das war übel. Ihr ist eben alles über den Kopf gewachsen.”
„So eine Untertreibung habe ich selten gehört!”
„Dass sie zu weit gegangen ist, bestreitet ja keiner, okay? Könntest du nicht mal fünfe gerade sein lassen? Noch ist das Tischtuch nicht zerschnitten!”
Gekränkt sah sie ihn an. „Ich bin diejenige, Mark, der man mit voller Wucht gegen das Schienbein getreten hat. Wir wollen doch bitte nicht so tun, als sei das ein harmloser Schabernack gewesen! Schon seit Monaten hat sie es auf mich abgesehen, wie du sehr wohl weißt! Und am Freitagabend wollte sie mir den Todesstoß versetzen!”
„Aus deiner Sicht gesehen, mag das stimmen.”
„Aus wessen Sicht sollte man es wohl sonst betrachten? Ach, egal. Was hat sie denn gesagt?”
Rowena hatte den Eindruck, als wolle Mark ihr widersprechen, doch dann überlegte er es sich offenbar anders. „Sie hat sich bei mir für ihr Verhalten bei der Arbeit entschuldigt. Sie sei so sicher gewesen, meinte sie, dass ich ausschließlich zu dir halte, dass sie eben beleidigt gewesen sei und kein Wort mehr mit mir gewechselt habe. Sie gab zu, Anspielungen über uns gestreut zu haben, aber weil in unserer Bibliothek ja sofort die Gerüchteküche auf Hochtouren brodelt, sei alles maßlos übertrieben worden. Sie hat mir versichert, dass ihre Bemerkungen eher harmloser Natur waren. Irgendwie glaube ich ihr das sogar. Als ich sie darauf verwies, dass sie besser von vornherein den Mund gehalten hätte, stimmte sie mir sofort zu. Aber sie hätte Angst gehabt und Verbündete gesucht, behauptete sie. Die hat sie leider Gottes an der verkehrten Stelle gesucht, und zudem mit der völlig falschen Methode. Das Ende vom Lied war, dass sie sich selbst zum Außenseiter machte und folglich so behandelt wurde wie jeder von uns, der meint, er müsse gleich alles hinausposaunen, was eigentlich keiner wissen oder hören will.”
Rowena biss in ihren Pfannkuchen und spülte mit einem Schluck duftendem Tee nach.
„Kein Kommentar?” wollte Mark wissen.
„Noch nicht. Erst möchte ich alles hören.”
„Na schön. Nun, ich habe ihre Entschuldigung angenommen. Dass sie den Mut aufbrachte und auf mich zuging, finde ich aller Ehren wert, und es nötigt mir Respekt ab, dass sie für ihre Fehler geradesteht. Sie hat auch gar nicht erst versucht, ihr Verhalten zu rechtfertigen, sondern nur Ursache und Wirkung aus ihrer Sicht dargestellt.”
„Klar, sie war bestimmt die Höflichkeit und Bescheidenheit in Person. Und was ist mit Ken und der Unterhaltszahlung?”
Mark führte den letzten auf dem Teller liegenden Krümel zum Mund und nahm einen Schluck Tee, bevor er antwortete. „Sie war, so behauptet sie, dermaßen demoralisiert durch die gescheiterte Ehe und die Scheidung, dass sie kein gutes Haar an Ken lassen wollte. Deshalb stellte sie ihn als ausgemachten Schurken dar, was natürlich gelogen war. Später dann, als Kip alt genug war und wissen wollte, was denn mit seinem Vater sei, bekam sie es mit der Angst zu tun. Sie dachte, wenn sie Kip erlaubte, Ken zu besuchen, käme alles ans Tageslicht und dann, so glaubte sie, würde sie am Ende als Rabenmutter dastehen. Also ließ sie die zwei nie zusammenkommen und bekam deswegen ein immer schlechteres Gewissen. Wie wir nun wissen, flog die Sache Weihnachten auf, und damit kam sie nicht zurecht. Sie fand sich damit ab, dass sie Kip an seinen Vater verlor. Sie sah das Ganze zwar sehr einseitig, war allerdings davon überzeugt, niemand nähme ihr ab, das alles schon viel früher angefangen hatte – zu einer Zeit nämlich, als sie sich für so manchen Seitenhieb und manche sarkastische Bemerkung von Seiten ihres Mannes zu revanchieren versuchte, indem sie ihn nur in den schwärzesten Farben darstellte.”
„Sie hat Kip nie die Gelegenheit gegeben, sich selbst zu entscheiden.”
„Penny war gekränkt und verängstigt, Ro, hatte völlig den Überblick verloren und dachte, Kip könne seinen Vater als den Verlierer in der Angelegenheit betrachten, seine Mutter hingegen als die Schurkin. Weißt du, bei einem weniger
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