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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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den Akten legen? Gewiss, sie war Ihre Schwester, und ich weiß sehr wohl, Familienbande lassen sich nicht so leicht lösen. Ich finde allerdings auch, dass es in Ihrem eigenen Interesse liegt, wenn Sie sich an die glücklichen Zeiten erinnern.”
    Ohne es zu wollen, stieß sie ein kurzes, hämisches Lachen aus. „Entschuldigen Sie, Ian, aber unsere Familie hatte es nicht so mit den glücklichen Tagen. Ich dachte, Sie hätten das inzwischen durchschaut.”
    „Gut, geschenkt”, gab er achselzuckend nach. „Vielleicht betrachten Sie dann Claudia schlicht und einfach als Vergangenheit. Das entspricht ja schließlich der Wahrheit.”
    „Leichter gesagt als getan.”
    „Warum wollen Sie sich weiter quälen und in Dingen herumwühlen, die nicht zu ändern sind?”
    „Ich muss es einfach wissen”, sagte sie nicht sehr überzeugend.
    Offenbar wollte Ian noch etwas hinzufügen, schaute stattdessen auf die Uhr und drückte die Zigarette aus. „Die Pflicht ruft.” Mit verlegenem Lächeln erhob er sich und schnippte eine imaginäre Fluse von seinem makellos sauberen, dunkelgrauen Kammgarnjackett.
    „Ich komme sofort.”
    „Nur keine Eile!” Immer noch lächelnd, zupfte er sich die Manschetten zurecht und verließ das Büro.
    Die Art und Weise, wie er Claudia und ihre Anrufe hier vom Büro aus beschrieben hatte, fand Rowena höchst sonderbar. Unverständlich war seine Bitterkeit hingegen nicht. Schließlich hatte er die volle Verantwortung für die Leitung des Restaurants getragen, während Claudia in erster Linie als attraktiv angezogene Schaufensterpuppe gewirkt hatte. Oder besser gesagt als ausgezogene, überlegte Rowena, die sich wieder einer Welle von Wehmut und Schmerz ausgesetzt sah, weil sie sich ihre Schwester auf Reids Schoß vorstellte, nackt und sich windend, die Schenkel gespreizt. Blinzelnd verscheuchte sie das Bild und ließ noch einmal das Revue passieren, was sie nun mit Sicherheit wusste: Zum einen trank Reid Chivas Regal, und dies ließ mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit die Vermutung zu, dass er in der Nacht, in der Claudia starb, entweder im Hause gewesen oder zumindest von ihr erwartet worden war. Zum anderen hatte er die Telefonbelästigung nicht erfunden. Was aber machte das angesichts seiner sonstigen zahlreichen Lügen schon aus? Und dass er gelogen hatte, bewies das Videoband.
    Sie stand auf, ging auf die Tür zu, hielt dann aber inne. Konnte es sein, dass vielleicht Reid den Einbruch begangen hatte, um nach der Kassette zu suchen? Reid, so grübelte sie, kennt sich mit meinem Arbeitsplan aus und auch im Haus, in dem er sich mindestens einmal aufgehalten hat. Hätte er aber auch von der Existenz des Bandes Kenntnis haben können? Hatte Claudia es ihm gegenüber erwähnt, möglicherweise sogar mit der Idee von Erpressung im Hinterkopf? Doch darüber jetzt nachzudenken würde ihr nur wieder Kopfschmerzen einbringen. Es musste warten.
    Als sie aus dem Büro kam, stieß sie beinahe mit Ian zusammen, der gerade wieder eintreten wollte.
    „Eins wollte ich Ihnen noch sagen, Rowena, wenn Sie gestatten.”
    „Ja, natürlich.”
    „Es geht um Claudia und diese missliche Angelegenheit mit Dr. Reid. Eine ganze Weile war sie von dem Mann geradezu besessen. Zum Glück dauerte es nicht lange, und die Lage normalisierte sich. Ich will damit eins sagen: Natürlich steht es Ihnen frei, die Telefonrechnungen, oder was Sie sonst noch sehen möchten, zu überprüfen. Der Betrieb gehört jetzt schließlich Ihnen. In den letzten Monaten läuft der Laden prächtig, weil Sie wie ein Elixier wirken. Mittlerweile haben wir Sie alle ins Herz geschlossen. Nur eines begreife ich beim besten Willen nicht. Was haben Sie davon, wenn Sie sich auf alte Schlagzeilen stürzen, mit denen Sie heute gerade noch den Mülleimer auskleiden können?” Er legte ihr seine kühle Hand auf den bloßen Arm. „Lassen Sie’s gut sein, meine Liebe”, schlug er vor. „Warum in der Vergangenheit herumschnüffeln und Schmutz aufwühlen? Es kommt für Sie nichts Gutes dabei heraus. Ich bin sicher, dass Dr. Reid Sie nicht vorsätzlich getäuscht hat. Er wollte Ihnen nur einen Gefallen tun, indem er die Sache untertrieben dargestellt hat.”
    „Kann sein. Ich lasse mir Ihre Worte durch den Kopf gehen.”
    „Gut. Ich würde es sehr bedauern, wenn ich Ihnen zu nahe getreten wäre.”
    „Nein, nein. Ich bin Ihnen sehr dankbar.”
    „Schön.” Er drückte ihr sanft den Arm und wandte sich dann ab.
    Während er sich zurückzog, betrachtete

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