Abschied aus deinem Schatten
sanft.
„Na, Verschiedenes eben.” Rowena entzog ihm ihre Hand, drückte die Zigarette aus und zündete sich gleich die nächste an. Jener Erinnerungsfetzen, den sie nicht richtig einordnen konnte, zuckte ganz flüchtig wieder vor ihrem geistigen Auge auf, verglomm aber sofort.
„Nun rück endlich mit der Sprache heraus! Siehst du nicht, welche Sorgen ich mir um dich mache?”
„Doch, sicher sehe ich das! Und ich beichte dir doch schon alles. Aber anscheinend willst du nicht verstehen, was ich dir zu erklären versuche!”
„Du machst dir keinen Begriff davon, wie sehr du dich irrst! Wenn du dich bloß für zehn Sekunden in mich hineinversetzen könntest! Dann würdest du nämlich hören können, wie deine beste Freundin dir das wirrste Zeugs erzählt, das dir je zu Ohren gekommen ist, und sich auf eine Weise benimmt, dass dir angst und bange wird! Du hast dich von all deinen alten Bekannten zurückgezogen, lässt dich nirgendwo mehr blicken und pendelst nur noch zwischen Haus und Lokal hin und her. Alle in der Bibliothek erkundigen sich nach dir, besonders Marcia, und nie weiß ich, was ich denen sagen soll!”
„Du bist doch nicht verpflichtet, ihnen was zu sagen!”
„Das will ich lieber nicht gehört haben! Aber lass uns nicht vom Thema abschweifen. Du sitzt hier und behauptest, jemand hätte deine Schwester umgebracht, und präsentierst auch gleich zwei Verdächtige. So richtig magst du allerdings keinen von beiden bezichtigen. Alles, was recht ist, Ro – nun komm mal wieder auf den Teppich! Wieso redest du nicht mit Reid und hörst dir an, was er zu sagen hat? Und wieso legst du nicht die Karten auf den Tisch und forderst Ian auf, dir reinen Wein über seine Verbindung mit Claudia einzuschenken? Was riskierst du schon dabei?”
„Du weißt doch, wie ich Szenen hasse!” jammerte sie und brach wieder in Tränen aus. „Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen, damit ich das auf meine Weise regele?”
„Zum hundertsten Mal: weil du es nicht geregelt kriegst!”
„Du denkst wahrhaftig, ich drehe durch, was?”
„Die Möglichkeit macht mir schon Angst”, erwiderte er bedächtig.
„Sie hat sich nicht umgebracht, Mark! Gut möglich, dass ich tatsächlich langsam überschnappe. Jedenfalls kommt es mir in letzter Zeit so vor. Nur wirst du deinerseits ziemlich dumm dastehen, wenn ich am Ende doch Recht behalte!”
„Falls du tatsächlich richtig liegst, mein malträtiertes Mäuschen, backe ich ganz kleine Brötchen, mehr als du vertragen kannst. Apropos essen: Du hast doch heute bestimmt noch nichts im Magen, oder?”
„Ich habe etwas spät zu Mittag gegessen.”
„Und ich etwas früh zu Abend.” Er sah auf die Uhr. „Gleich sieben. Mir knurrt der Magen. Ich zaubere uns schnell einen Salat und ein paar Omeletts, und dann setzen wir unser Gespräch beim Essen fort.”
Rowena wollte ablehnen, zuckte dann aber, aus Furcht, er könne sie missverstehen, die Achseln. „Großen Appetit habe ich zwar nicht, aber von mir aus!”
Wieder ergriff er ihre Hand. „Ich weiß, am liebsten würdest du mir sagen, ich soll mir mein Omelett in die Haare schmieren. Nur weiß ich eben auch, wie sehr dir solche Auseinandersetzungen ein Gräuel sind. Deshalb kannst du mir nichts vormachen, mein Schatz. Ich bin mir durchaus bewusst, dass man dich nur durch Kompromisse zur Nahrungsaufnahme bewegen kann. Sei dir darüber im Klaren, dass ich das weiß, und dass ich nicht locker lasse, bis ich dich so weit habe, dass du dich wieder einigermaßen vernünftig benimmst. Einverstanden?”
Rowena wagte nicht zu widersprechen und nickte zustimmend.
Nachdem sie gegessen sowie hin und her diskutiert hatten, ohne bei ihren Verdächtigungen auch nur einen Schritt weitergekommen zu sein, ließ Mark sich nicht davon abbringen, Rowena zu Bett zu bringen.
„Das Video nehme besser ich mit. Ich werde es schon los. Jetzt zack, zack, Schlafanzug an, und dann ab in die Federn!”
Er blieb wartend auf dem Fußende des Bettes sitzen, während sie sich im Ankleidezimmer umzog, wobei sie die Tür offen ließ.
„Wie soll’s denn nun weitergehen, Ro?”
„Vermutlich werde ich mir Ian vorknöpfen.”
„Gute Idee. Und der Seelenklempner? Gibst du dem wenigstens ’ne Chance, sich zu erklären?”
„Ich glaube nicht.” Sie knipste das Licht im Ankleidezimmer aus und ging ins Badezimmer, um sich die Zähne zu putzen. Als sie wieder herauskam, hatte Mark bereits die Bettdecke für sie zurückgeschlagen, sodass Rowena sich
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