Abschied aus deinem Schatten
auf dein Kommando! Wenn du nicht da bist, vertragen wir uns ausgezeichnet, Mummy und ich!”
„Das war nicht zu übersehen!” konterte Rowena scharf.
„Beruhige dich, Liebes!” Jeanne lächelte nervös und wandte sich an ihre Jüngste.
„Beruhige dich, Liebes!”
äffte Claudia ihre Mutter nach und funkelte sie hasserfüllt an. „Mein Gott, bist du eine dämliche Kuh!” Mit diesen Worten wandte sie sich ab, stürmte hinaus und polterte mit schnellen, dumpfen Schritten die Treppe hinauf.
Jeanne ließ sich auf einen der Küchenstühle sinken und fuhr sich mit zitternder Hand über die Haare. Als fiele ihr urplötzlich ein, dass sie ja ihre Rolle als treusorgende Mutter spielen müsse, lächelte sie strahlend. „Welch nette Überraschung, Rowena! Bleibst du übers Wochenende, Liebes?”
„Warum hat sie dich geschlagen? Und wieso lässt du dir das überhaupt gefallen?” Einen Augenblick lang war Rowena sich gar nicht mehr sicher, ob sie überhaupt Zeugin dieser widerwärtigen Szene geworden war oder ob ihre Mutter womöglich nicht richtig hörte.
Wer ist hier verrückt – du oder die beiden?
Den Blick auf die Tür gerichtet, durch die Claudia soeben verschwunden war, zuckte Jeanne kaum merklich die Schultern und sagte, immer noch zaghaft lächelnd: „Ach, nur dummes Zeug. Du kennst doch deine Schwester.”
Doch Rowena ließ nicht locker, denn sie war überzeugt davon, dass sie die Mutter und auch die Schwester überhaupt nicht mehr verstand. „Ich will wissen, warum sie dich geschlagen hat und warum du das mit dir machen lässt!”
„Du hast doch sicher Hunger!” Offenbar ließ Jeanne die Frage schlichtweg an sich abprallen. „Hilda soll dir schnell einen Happen zubereiten. Und zum Dinner speisen wir drei im Club. Wo steckt diese Hilda bloß?” Sie schaute sich um. „Ach ja, richtig! Sie ist zum Einkaufen! Jawohl, wir fahren in den Club. Du weißt ja, wie gern Claudia sich schick anzieht. Und du bist doch sicher ganz versessen auf ein ordentliches Essen! Du wirst schrecklich dünn, Liebes!”
Rowena konnte sich nur zu gut vorstellen, wie der Abend verlaufen würde. Ein ganzer Pulk von Kellnern, angeführt von einem katzbuckelnden Oberkellner, scharwenzelte um den Tisch herum, kredenzte Jeanne, kaum dass sie Platz genommen hatte, ihren üblichen Manhattan-Cocktail und überbot sich mit an Jeanne und Claudia gerichteten Komplimenten. Und sie blühten geradezu auf, die zwei, aalten sich in der Liebedienerei, reckten sich den Schmeicheleien entgegen wie Blumen dem Licht.
„Ich kann nicht bleiben”, erwiderte Rowena, die mit einem Schlag ihre Pläne über den Haufen warf. „Ich wollte nur ein paar Sachen holen, die ich dringend brauche.”
„Du bist vier Stunden unterwegs und bleibst nicht mal über Nacht?” fragte ihre Mutter, die anscheinend enttäuscht war. Womöglich war sie es sogar tatsächlich. Falls Rowena blieb, war Jeanne zumindest eine Weile einigermaßen sicher, denn sie anzugreifen, während Rowena sich im Haus aufhielt, das wagte Claudia sicher nicht.
Rowena war hin- und hergerissen. Einerseits ging das undurchsichtige Verhältnis zwischen Mutter und Schwester über ihren Verstand, andererseits tat ihr Jeanne Leid. Sie stand bereits kurz davor, ihren Entschluss zurückzunehmen und doch zu bleiben, als von der Tür her Claudias verächtliche Stimme ertönte. „Du bist ja noch dümmer, als ich gedacht habe, Mutter! Die will doch gar nicht bleiben! Sie pfeift auf uns! Dich kann sie sowieso nicht ausstehen – so eine armselige Schnapsdrossel wie dich, die dauernd über die eigenen Füße stolpert! Jedes Mal, wenn wir im Club sind, warten schon alle gespannt darauf, dass Mummy zum Klo torkelt und dabei ’ne Rolle rückwärts hinlegt! Und wenn wir gehen, gaffen alle, ob sie heil die Treppe runterkommt, ohne sich aufs Kreuz zu legen!”
„Das ist nicht wahr!” keuchte Rowena heiser. Sie war wie vor den Kopf geschlagen von Claudias schnoddriger Gehässigkeit und von Jeannes halsstarriger Weigerung, sich zu verteidigen. „Das stimmt nicht, dass ich dich nicht ausstehen kann”, wandte sie sich dann an ihre Mutter. Für einen kurzen Moment glaubte sie etwas Weiches, Zerbrechliches in deren Blick zu erkennen.
„Das weiß ich”, murmelte Jeanne, deren Lippen kaum merklich bebten.
„Du hast kein Recht, so über sie zu reden”, herrschte Rowena ihre Schwester an. „Und sie zu schlagen schon gar nicht!”
„Das geht dich einen feuchten Kehricht an! Dies hier regeln wir unter
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