Abschied aus deinem Schatten
verhalten, „oder bilde ich mir das nur ein?”
„Du siehst Gespenster. Er nimmt seinen Job sehr ernst. Und das ist zweifellos der Grund dafür, dass das Lokal nicht Pleite gegangen ist. Ist er denn nun schwul?”
„Keine Ahnung! Ich dachte eher, du wüsstest das! Benutzen Schwule nicht Geheimsignale oder so etwas Ähnliches?”
Mark zog die Augenbrauen hoch. „So naiv kannst du doch nicht im Ernst sein! Sag bloß, du glaubst den Quatsch!”
„Ach, nicht so richtig. Aber woran erkennst du denn, ob ein Mann homo- oder heterosexuell ist?”
Mark nahm ein paar Bissen von seiner Pasta, ehe er auf die Frage antwortete. „Hauptsächlich durch Blickkontakt. Eine Garantie ist das aber auch nicht. Wahrscheinlich sind es die Pheromone, die uns in die Nase steigen.” Dann glitt ein Grinsen über sein Gesicht. „Hast du etwa geglaubt, das funktioniert mit so einer Art geheimem Dick-Tracy-Signal? Dass wir über Decodierringe und dergleichen verfügen?”
Rowena war rot angelaufen vor Verlegenheit. „Irgendwie schon, ja.”
„Also, manchmal bist du richtig naiv!” schalt er sie gutmütig.
„Bin ich nicht! Nur weil man nicht weiß, woran Schwule sich erkennen, ist man doch nicht einfältig! Du lieber Himmel!” Sie lachte. „Du gibst ja zu, dass du es nicht mal selbst weißt. Und wie kommst du eigentlich darauf, er könnte schwul sein?”
„Schau doch nur, wie er angezogen ist! Ich gehe jede Wette ein, dass sein Maßanzug von einem Herrenschneider aus der Londoner Savile Row stammt. Und dann die Designer-Halbschuhe! Also, Geschmack hat er!”
Rowena stimmte ihm zu. „Kann man ihm nicht absprechen.”
„Und Geld auch. Und das hat er mit Sicherheit nicht hier im Restaurant verdient.”
„Er macht tatsächlich den Eindruck, als stamme er aus der Oberschicht, nicht wahr?”
„Stimmt!” Mark sah sich bedächtig um und sagte dann: „Na gut, dann bist du eben nicht naiv. Aber arglos!”
„Möglich.”
„Und anspruchslos”, fügte er hinzu.
„Weil ich nichts besitze, auf das ich mir was einbilden könnte.”
„Das
meinst
du nur.”
„Nein”, widersprach sie. „Das
weiß
ich!”
Mark nahm sein Weinglas und betrachtete Rowena kritisch. „Es macht mich traurig und auch ein wenig wütend. Du siehst gut aus, besonders mit der neuen Frisur.” Als sie das Gesicht verzog, setzte er nach: „Wirklich! Aber ich weiß ja, dass es wenig Zweck hat, dich davon überzeugen zu wollen.”
„Richtig.”
„Falls du vorhast, dich gegen diese Einsicht zu sperren, lass uns das Thema wechseln.”
„Einverstanden. Du brauchst mir nicht tagelang krampfhaft Nettigkeiten vorzusetzen. Ich weiß auch so, dass du mich magst. Und du bist mir ebenfalls sehr sympathisch.”
„Krampfhaft, wie du das nennst, muss ich gar nichts, Rowena, und schmeicheln tu ich erst recht nicht. Ich sage die Wahrheit. Seit dem Tag, an dem wir uns kennen lernten, schwärmst du mir von der Schönheit deiner Mutter und deiner Schwester vor. Deiner Mutter bin ich nie begegnet, also bleibt mir nur übrig, mit deinen Schilderungen vorlieb zu nehmen. Deine Schwester jedoch kannte ich weiß Gott. Zugegeben, sie war eine Augenweide, aber schön hätte ich sie deswegen noch lange nicht genannt. Für wirkliche Schönheit war sie zu brutal, zu hinterhältig, zu gekünstelt. Als ich sie zum ersten Mal zu Gesicht bekam, dachte ich zunächst, du hättest mich mit all deinen überschwänglichen Schilderungen auf den Arm nehmen wollen. Aber ein Blick auf dein Gesicht zeigte mir, dass es dir vollkommen ernst damit war. Und da kam ich nicht mehr mit. Das kommt ja fast Grimms Märchen gleich, wie du dir von den beiden Frauen hast einreden lassen, du wärst hässlich!”
Rowena musste lachen, obwohl ihr gar nicht danach zu Mute war.
„Das finde ich überhaupt nicht lustig!” wandte Mark mit ernstem Gesicht ein. „Immer dann, wenn die Rede auf deine Familie kommt und darauf, wie die mit dir umgesprungen ist, lachst du. Das scheint ein Schutzreflex bei dir zu sein! Wieso machst du das?”
„Ich muss einfach darüber lachen. Würde ich mir auch nur eine Minute vorstellen, meine Mutter wäre nicht nur eine im Grunde oberflächliche Frau gewesen, sondern hätte vielmehr vorsätzlich grausam gehandelt, müsste ich meine Biografie komplett neu schreiben. Man hat ihr ihren Lebensstil von klein auf eingetrichtert. Ich kann mich noch erinnern, wie meine Großmutter mit ihr redete, nämlich genau so, wie Jeanne mit mir sprach.”
„Das ließe sich ja durchaus
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