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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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an. Danach vernichtete sie die Kassetten, die ihr inzwischen wie eine Art visuelles Tagebuch von Claudias sexuellen Eroberungen vorkamen. Manche Menschen sammelten Silberpokale mit eingravierten Schriftzügen. Ihre Schwester hatte eben die Filme. Rowena musste hart kämpfen, um nicht von diesem kalten, lieblosen Geschöpf, das seine Liebhaber vermutlich ohne deren Zustimmung und Wissen auf Video gebannt hatte, angewidert zu sein.
    Auch wenn all diese Dinge sie sehr quälten, schaffte Rowena es, einem der eingeholten Kostenvoranschläge für die Renovierung des Elternhauses zuzustimmen. Nachdem sie dafür gesorgt hatte, dass der größte Teil des alten Mobiliars von der Heilsarmee abgeholt wurde, zog sie zu Beginn der Bauarbeiten wieder in ihre Wohnung in Stamford. Meistens schaute sie nach dem Bibliotheksdienst und am Wochenende, bevor sie zum Restaurant aufbrach, bei der Baustelle vorbei, um sich über den Fortgang der Arbeiten zu informieren und zwei oder drei bereits durchgesehene Kassetten wieder zurückzubringen oder aber ein paar weitere aus dem Keller zu holen.
    Wiederholt stellte sie sich die Frage, wieso sie nicht die gesamte Sammlung auf den Müll warf. Sie hätte sich damit eine Menge Zeit und Kummer erspart, doch aus einem ihr unerfindlichen Grund war es ihr ein Bedürfnis, sich durch sämtliche Bänder mit Claudias erotischen Eroberungen zu kämpfen. Ehe sie nicht auch das allerletzte Exemplar aufgestöbert hatte, würde sie sich in diesen neuen vier Wänden weder wohl noch heimisch fühlen können. Sicher, ihr Vorhaben entbehrte jeder Logik und widersprach jedem gesunden Menschenverstand, doch sie konnte die Suche und Vernichtung der Bänder einfach nicht aufgeben.
    Die Renovierungsarbeiten, so schien es, kamen nur langsam voran. Rowenas Enthusiasmus kehrte allerdings zurück, nachdem die Küche bis auf die bloßen Wände ausgeräumt und der Putz aufgestemmt war, damit die alten Elektroinstallationen ausgetauscht werden konnten. Auch die Fußböden wurden herausgerissen, damit man an die noch aus Blei gefertigten Rohrleitungen gelangte, die ebenfalls demontiert wurden. Jetzt, da die wenigen noch verbliebenen Möbelstücke unter einer schützenden Abdeckplane am anderen Ende des Esszimmers zusammengestellt waren, fiel ihr erst auf, welche Möglichkeiten der Raum bot. Dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, bestätigte sich mit jedem Tag, insbesondere im Hinblick auf das geplante Apartment über der Garage.
    Dieser Raum, in dem früher die wechselnden Haushaltshilfen untergebracht worden waren, hatte in den letzten zwanzig Jahren leer gestanden. Bei dem momentanen Zustand wäre vermutlich auch nur wenigen Menschen aufgefallen, dass er sich als Wohnmöglichkeit eignete, so wie Mark gleich auf Anhieb erkannt hatte. Durch die nur unvollständig angebrachte Innenverkleidung an der steilen Dachschräge schauten Gebälk und Sparren. Der Fußboden bestand lediglich aus grob verlegten Tischlerplatten, die sich durch die Feuchtigkeit verzogen hatten, da jahrzehntelang der Regen durch das undichte Dach gedrungen war. Die Wände waren mit Glaswolle isoliert, die über das Isoliermaterial genagelten Hartfaserplatten stellenweise krumm und verbogen. Lediglich das an der Wand vorn rechts befindliche Badezimmer, mit Toilettenschüssel, Waschbecken und einer Duschkabine nebst Seitenteilen aus verrostetem Blech notdürftig eingerichtet, war mit Leichtbauwänden abgeteilt. Drei schmale Dachfenster zur Vorderseite hin boten einen Blick auf die Hofeinfahrt, durch drei weitere an der Rückseite sah man hinaus in den verwilderten Garten. Die Gesamtfläche von annähernd acht mal zwanzig Metern machte einen trostlosen und öden Eindruck. Es war Rowena ein Rätsel, wie ihre Eltern den Haushälterinnen hatten zumuten können, hier oben zu wohnen.
    Inzwischen waren die alten Trennwände abgerissen und der Rahmen für ein neues, vergrößertes Bad aufgestellt worden; dort, wo die Küche geplant war, schimmerten neue Wasserleitungen und Abwasserrohre aus Kupfer; anstelle der alten Fenster belichteten neue, breitere den Raum, und jetzt erkannte Rowena auch, was Mark so angezogen hatte.
    Er hatte darauf bestanden, dass er für seine Sonderwünsche selbst aufkam: für ein großes, nach Norden ausgerichtetes Oberlicht im Dach, handbemalte italienische Fliesen im Bad, für einen Küchenblock mit einer extrem harten Arbeitsplatte, wie sie auch Fleischer benutzten, für maßgefertigte Bücherregale im Wohnzimmer sowie für

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