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Abschied aus deinem Schatten

Abschied aus deinem Schatten

Titel: Abschied aus deinem Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Vale Allen
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einen frei stehenden skandinavischen Kamin, der durch die hintere Wand belüftet wurde.
    „Allmählich fiebere ich dem Einzugstermin regelrecht entgegen”, sagte Mark, als er gegen Ende der dritten Renovierungswoche mit Rowena im „Le Rendezvous” beim Dinner saß.
    „Ich auch.” Rowena lächelte und wünschte, sie hätte den Mut aufgebracht, ihn über Claudias Kassetten zu informieren. Doch so sehr sie Mark mochte und vertraute – ein solch intimes Eingeständnis wäre ihr nicht nur überaus peinlich gewesen, nein, sie fürchtete auch, Marks Achtung dadurch zu verlieren.
    „Die Sache ist nur die”, erzählte er ernüchtert. „Immer dann, wenn ich so richtig in Hochstimmung bin, überkommen mich Schuldgefühle, und ich muss mir immer wieder einreden, Tim hätte es sicher so gewollt, dass ich mein Leben weiterlebe. Ich kann ihn direkt hören: ‚Du bist erst sechsunddreißig! Du kannst dich nicht einfach hängen lassen, nur weil ich den Löffel abgegeben habe!‘ Er wäre bestimmt zu Tode betrübt, wenn er wüsste, dass ich das Leben nicht genießen kann, weil es mir ohne ihn keinen Spaß mehr macht.”
    „Genau das hätte er gesagt, Mark. Stimmt!”
    „Schon, nur wird es dadurch nicht weniger schlimm! Ständig muss ich an ihn denken und träume jede Nacht von ihm. Mein Leben ist so leer ohne ihn, und obendrein geht mir der Gedanke nicht aus dem Kopf, dass ich HIV-positiv sein könnte. Dann wäre es endgültig aus mit mir. Wozu also überhaupt noch etwas in Angriff nehmen? Sicher, das ist alles nur blanke Überlebensangst. Vielleicht komme ich ja eines Tages darüber hinweg!”
    „So darf man nicht denken!” mahnte sie ihn. „Man muss nach vorn schauen. Wir alle müssen die Zeit, die uns auf Erden eingeräumt wird, bestmöglich nutzen.”
Wie kannst du ihm so etwas erzählen, wenn du deine eigene kostbare Zeit damit vergeudest, deiner Schwester bei ihren schändlichen Liebesspielen zuzusehen? Schlimm genug, dass Claudia die Aufnahmen gemacht hat. Nur – was sagt das über dich aus, wenn du dich gar nicht von ihnen losreißen kannst?
Für einen Augenblick schämte sie sich zutiefst und nahm sich vor, sich die Kassetten bei der nächstbesten Gelegenheit vom Hals zu schaffen.
    „Leicht gesagt”, erwiderte Mark. „Aber nicht so leicht getan! Wenn ich allerdings sehe, wie das Apartment langsam Gestalt annimmt … das bedeutet mir doch einiges! Und du sollst auch wissen, wie dankbar ich dir bin.”
    „Das weiß ich doch.” Sie bedeckte seine Hand mit der ihren.
    Um sie aufzuheitern, meinte er: „Sag mal, was hältst du davon? Soll ich mir eins von diesen raffinierten kleinen Schildern besorgen, die man draußen anbringt? Mit Sprüchen drauf wie ‚Hier wohnt der Detlef‘ oder ‚Tuntenwinkel’; irgendwas, nur ein klein bisschen tuntenhaft kitschig muss es sein.”
    „Großartig!” Lächelnd kniff sie ihm in den Arm, bevor sie die Hand zurückzog. „Nenn es doch einfach ‚Radclyffe Hall’! Nach dem Roman mit den Liebesbriefen!”
    „Ja, genau! Du bist doch ein kluges Kerlchen!”
    „Wie geht’s denn so?” fragte Ian, der gerade am Tisch vorbeikam.
    Mark lud ihn ein, Platz zu nehmen. „Ach, setzen Sie sich doch einen Augenblick zu uns.”
    Ian sah Rowena fragend an. „Zu einem Kaffee vielleicht?”
    An seinem Blick erkannte Rowena, dass es Claudia wohl nicht recht gewesen wäre, wenn er sich zu den Gästen gesellt hätte. Betont herzlich, weil ihr Claudias Verhalten auch nachträglich noch übel aufstieß, sagte sie: „Ja, Ian, bitte!”
    „Vielen Dank, Rowena. Mit Vergnügen. Schmeckt das Essen, Mark?”
    „Es ist wunderbar! Geben Sie dem Koch einen Kuss von mir!”
    Ian lachte. Bis zu diesem Augenblick war es Rowena gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn nie hatte lachen hören. Es klang angenehm und kam von Herzen, und sie war froh, dass ausgerechnet Mark diese Reaktion bei ihm hervorgerufen hatte.
    „Wie läuft es mit den Renovierungsarbeiten am Haus?” erkundigte er sich, wobei sein Blick zwischen Mark und Rowena hin und her wechselte.
    „Es sieht sehr gut aus.”
    „Wirklich gut!” bekräftigte Rowena. „Sie müssen mal vorbeikommen und einen Blick darauf werfen.”
    „Gerne. Nun denn …” Ian rückte seine Manschetten zurecht und wandte sich an Mark. „Ich werde Philippe das Kompliment weitergeben.” Dann nickte er Rowena kurz zu und begab sich wieder auf seine Runde.
    „Hat sich da gerade ein rascher Stimmungswechsel bei ihm abgespielt”, fragte Rowena Mark

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