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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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würde.
    Plötzlich spielten sich herzzerreißende Szenen ab. Die Anspannung der ganzen Woche löste sich. Es war nur gut, dass Maria es mir nicht am Telefon hatte sagen können, denn war sie für mich auch verloren, konnte sie meinen Schmerz durch ihre Anwesenheit doch ein wenig auffangen. Und so dauerte es nicht lange, bis ich mich so weit beruhigt hatte, dass ich nach einem letzten Glas Sekt und einer letzten Zigarette Maria verlassen konnte, ohne auf Wuppertals Straßen verschollen zu gehen. Und weil ich mich wegen eines bisschen Liebeskummers vom pulsierenden Leben nicht abhalten lassen wollte, stürzte ich mich mit Elan in das Wuppertaler Nachtleben. Wer weiß, so dachte ich, vielleicht läuft mir ja gerade hier in Wuppertal mein Glück in die Arme.
    Nun, auch wenn Letzteres nicht geschah, war diese Nacht dennoch ein voller Erfolg. Ich kehrte am nächsten Morgen mit immer noch so schwerer Schlagseite zu meinem Elternhaus zurück, dass ich den Schlüssel nicht ins Schloss bekam und erst ins Haus gelangte, als mir unser Nachbar – ein Kegelbruder meines Vaters – die Türe öffnete. Als die Tür plötzlich nach innen aufschwang, stolperte ich in den Flur, meinem Nachbarn in die Arme. »Oh, Gott!«, schrie er, als mir durch die abrupte Vorwärtsbewegung der Kreislauf durcheinandergeriet und ich wie ein nasser Sack an ihm herabrutschte, bis ich schließlich so tief gesunken war, dass ich meinen Mageninhalt auf seine Schuhe leerte. »Mein Gott!«, schrie er, »Schnell ruf den Notarzt!«, rief er in die sich drehende Weite des Flurs hinein, an dessen sich in Verschwommenheit verlierenden Ende ich schemenhaft seine Frau erkennen konnte, die ebenfalls »Oh Gottogott!« rief.
    Am Tag danach erwachte ich auf der Wohnzimmercouch. Für die Nachwirkungen des Alkohols in meinem Kopf habe ich keine Worte. Glücklicherweise war sofort die Nachbarin an meiner Seite und hielt mir lindernde Medizin unter die Nase. »Mein armer Junge!«, sagte sie sanft – und vor allem leise, schön leise –, und stützte meinen Kopf, damit ich aus dem Glas trinken konnte, »Trink’ mein Junge, der Arzt sagt, das wäre gut für dich.«
    » Ernst!«, sprach sie dann über ihre Schulter, und schon stand der Nachbar neben ihr, eine Tasse Kaffee in der Hand, die er mir, der ich mich im Sofa etwas aufrappelte, mit einem Lächeln reichte: »Du hast uns einen Mordsschrecken eingejagt. Hätte nie gedacht, dass ich froh sein würde, dass mir jemand auf die Füße kotzt, weil er betrunken ist!« »Ernst!«, unterbrach ihn seine Frau, »Lass’ den Jungen erst einmal zu Kräften kommen. Hast du Hunger?«, fragte sie fürsorglich. Und ja, ich hatte doch tatsächlich Hunger, und so bat ich meine Nachbarin, mir ein Stück vom kalten Sauerbraten aus dem Kühlschrank und etwas Brot zu holen. Stumm und mit ernsten Gesichtern leisteten die beiden mir bei meinem Mahl Gesellschaft, und als ich aufgegessen hatte, stieß die Frau den Mann mit den Worten an: »Sag es ihm!« Woraufhin Ernst noch ernster wurde und mit den Worten: »Du musst jetzt stark sein, mein Junge!« für mich – wie man so sagt – der Ernst des Lebens begann. Er konnte sich auf mich verlassen, kein Wort der Klage kam über meine zusammengekniffenen Lippen, keine Träne löste sich aus meinen Augenwinkeln, als er mir es in einer gewundenen und umständlichen Weise erzählte, die mich wohl auf das ganze Maß der Tragödie vorbereiten sollte. Ich gebe hier den ganzen Ernst in geraffter Form.
    Sie wären gerade bei der Hohen Hausnummer gewesen, da wäre Vater die Kugel auf den Fuß gefallen. Die große Blaue, weißt du, sagte Ernst, als würde ich auf der Kegelbahn ein- und ausgehen. Wäre ihm einfach so aus der Hand gefallen. Zuerst hätten sie ja alle gelacht. Sie wüssten ja alle, wie scheißeweh das tät, gerade die große Blaue, aber es hätte einfach zu lustig ausgesehen. Außerdem hatten sie ja alle schon gut einen intus. Vater ja auch. Der am meisten, hatte er doch ein Alt nach dem Nächsten gekippt: »Mann hab’ ich heute einen Durscht!« hatte er ständig gesagt. Und so hatte es auch niemanden gewundert, dass Vater nichts traf, eine Pudelrunde nach der Nächsten. »Und wir haben noch Scherze gemacht. Weiter so, haben wir gesagt, du bezahlst uns noch die komplette Kegeltour!«, sagte Ernst. Es war ja auch weiter nichts Auffälliges gewesen, nun gut, der Peter, der Vater gegenübergesessen hatte, hatte manchmal gemeckert, Vater solle doch mal stillhalten, das mit diesem ständigen

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