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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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seiner indirekten Einladung nicht gefolgt). Gleichwohl war er mir aufgrund seiner Briefe und seiner Aufzeichnungen (und der Erzählung meiner Mutter über den Unfalltod seiner Eltern und Schwester) natürlich sehr suspekt. Dann klingelte ich an der Haustür. Als niemand antwortete, trat ich in den Flur. Hier hatte sich, bis auf den Geruch, es roch modrig und abgestanden, seit damals nichts verändert. Ich rief: »Hallo, ist hier jemand?« Keine Antwort. Ich ging tiefer ins Haus hinein, trat in die Küche, die sich allerdings in einem gänzlich anderen Zustand als damals befand. Hier roch es nicht nur muffig, sondern es stank. In der Spüle stapelte sich das Geschirr, der Küchentisch stand voll mit verdreckten Tellern und Töpfen, über denen Fliegen kreisten. In einer Ecke stapelten sich Pizzakartons gut zwei Meter hoch.
    Plötzlich spürte ich, dass jemand hinter mir den Flur betrat, und ich drehte mich um. Gestützt auf eine Krücke, in der anderen Hand eine Axt, die er sich jetzt über seine Schulter legte, stand er da und lächelte. Im Gegensatz zur verwüsteten Küche sah er gepflegt aus, vielleicht sogar gepflegter wie ich, der ich mich seit einigen Tagen nicht rasiert hatte. »Ich hatte sie größer in Erinnerung«, sagte er und humpelte auf mich zu. Zu meiner Erleichterung stellte er die Axt neben der Küchentüre ab. »Ich war Holz hacken«, erklärte er, »Der Winter ist bald da.« Dann reichte er mir seine Hand, ich erwiderte seinen festen Händedruck, für Unhöflichkeit war es noch zu früh. »Ich hatte sie früher erwartet«, sagte er und deutete auf die Seiten in meiner Hand. »Ich dachte, sie lesen schneller.«
    Bevor ich etwas erwidern konnte, drehte er sich um. »Kommen sie, hier ist es zu ungemütlich, zu viele unschöne Erinnerungen, zu viel alter Kram und Müll.«
    Ich blieb, wo ich war, und sah ihm zu, wie er die Tür zum Keller öffnete. Ich hatte nicht vor, ihm zu folgen, schon gar nicht in den Keller hinunter. Während mich einige lästige Fliegen umkreisten, die ich erfolglos versuchte mit den Blättern in meiner Hand zu verscheuchen, sagte ich ihm frei heraus, was ich zu sagen hatte. Dass er sofort aufhören solle, mir Briefe zu schicken. Seine Anspielungen meine Eltern betreffend, diese unterschwelligen Drohungen, seien unakzeptabel. Ich würde, wenn er dergleichen nicht sofort unterlässt, die Polizei verständigen. K. hörte mir zu, die Klinke der Kellertüre in der Hand haltend, dann legte er seinen Kopf schräg. Ich rechnete damit, dass er meine Worte nun wiederholen würde. Doch er lächelte nur, sagte: »Ja, ja!«, dann lud er mich mit einer kurzen Handbewegung ein, »Und jetzt kommen sie, keine Angst, ich tue ihnen schon nichts, aber ich denke, das sollten sie sehen!« Nach einigem Zögern folgte ich ihm, was ich dabei fühlte, war eine Mischung aus Hilflosigkeit, Neugier und Furcht. Ich bereute es in dem Moment, dass ich nichts zu meiner Verteidigung dabei hatte, einen Elektroschocker oder Pfefferspray.
    K. stieg vor mir mit großer Mühe die Stufen hinab. Im Keller war es stickig und dunkel, nur einige wenige Kerzen verbreiteten so etwas wie Licht. Als sich meine Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah ich, dass der Keller ein einziger niedriger, sehr großer Raum war, nur unterteilt durch die roh verputzen Stützpfeiler, welche die Last des Hauses trugen. Offensichtlich waren hier alle nicht tragenden Wände entfernt worden. »Oh, Entschuldigung!«, sagte er dann und griff zur Wand. Augenblicklich tauchten unzählige, dezent angebrachte Lampen sein Domizil in ein, wie ich sagen muss, angenehmes Licht. Erstaunt blickte ich mich um. Es war gemütlich – und ich kannte es. In der Mitte des Raumes stand ein Billardtisch. In der hinteren Ecke, nahezu verdeckt durch einen Paravent, ein schwarzes Stahlbett. Zu meiner Linken, gruppiert um einen niedrigen Holztisch, luden eine Couch aus braunem Leder und passende Sessel zum Niederlassen ein. Zu meiner Rechten befand sich eine Bar aus dunklem Holz. Vor ihr Barhocker bezogen mit weinrotem Stoff, dahinter, glänzend, eine Batterie aus Flaschen. Ich musste nicht näher herangehen, um zu wissen, welche Flaschen sich in dem Barschrank befanden. Ich hatte einmal ein Interview in der Wohnung eines Freundes gegeben, die dieser mir großzügig für die Zeit seines längeren Auslandsaufenthalts überlassen hatte, einem Teil eines ehemaligen Industriegebäudes. Der Reporter hatte mehr Interesse an dem Alkoholvorrat meines Freundes gehabt als

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