Abschied nehmen
nie zuvor gesehen hatte.
„Es ist sehr schön aber woher hast du es?“, fragte sie und reichte es ihm zurück, doch Willie nahm es nicht an.
„William hat es mir geschenkt. Wir schnitzen immer Schachfiguren zusammen und ich hatte noch kein Messer. Er hat aber gesagt, dass ich es nicht allein öffnen darf, du musst es erst zuklappen, wenn ich es nehmen soll, aye?“
Mit einem verwirrten Lächeln sah Kate Willie an. William hatte es ihm geschenkt? Er muss es gestern auf dem Markt gekauft haben, doch warum hat er ihr nichts davon erzählt? Doch es war offensichtlich, weshalb er es ihr nicht erzählt hatte, dachte sie mit einem tiefen Seufzer.
Sie klappte die Klinge ein und reichte sie dem Jungen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass der kleine Lausbube sich jemals an irgendwelche Anweisungen gehalten hätte, ganz gleich wie häufig sie ihm erteilt worden waren. Und nun hatte William ihm verboten, das Messer in seiner Abwesenheit zu benutzen und er tat, wie ihm geheißen. Das war wirklich erstaunlich.
„Ich muss wieder weg!“, rief Willie, sobald sein Geschenk wieder in seiner Hand war. Kate war an dem Tag weder die Erste noch die Letzte, der er von seinem neuen Besitz berichtete und so stürmte er davon.
Sie blieb allein zurück und lehnte sich an die kalte, steinerne Wand. Sie schlang ihre Arme um ihre Taille und senkte den traurigen Blick. Wäre sie doch nur nicht von Beginn an so kratzbürstig gewesen, hätte sie ihnen die Gelegenheit gegeben, einander ein wenig kennenzulernen, statt ihn ständig nur anzugreifen. Womöglich hätte auch er etwas für sie übrig gehabt, doch nun stand sie hier allein und ihre Gefühle blieben unerwidert.
Aber es musste doch etwas geben, das sie tun konnte, dachte sie, doch die Frage war überflüssig. Sie wusste genau, was sie tun musste und ein tiefer Seufzer entrang ihrer Kehle. Sie würde heute Nachmittag einen letzten Versuch wagen und zu ihm gehen, um ihm zu sagen, wie nett sie das fand, was er für Willie getan hatte und ihm Frieden anbieten. Sie hoffte nur, ihre Gefühle würden sie nicht gänzlich lähmen oder wieder zu einer Furie werden lassen.
William griff mit der Zange in den Ofen und nahm das glühende Stück Metall hervor. Dann legte er es auf den Amboss und begann es mit dem gewaltigen Hammer zu bearbeiten. Er würde aus diesem Material eine Sense formen, sowie er es mit den drei zuvor auch getan hatte, denn im Moment wurden viele neue Werkzeuge benötigt. Nach dem Winter hatten die Burgbewohner nun damit begonnen, die alten Gerätschaften zu überprüfen und einige waren dermaßen abgenutzt, dass sie nicht mehr zu gebrauchen waren und nun neu hergestellt werden mussten.
William war richtiggehend stolz auf sich, denn er wurde, was die Schmiedekunst anging, von Tag zu Tag besser. Tom musste ihm nur noch wenige Anweisungen erteilen, wenn er sich an etwas heranwagte, das er zuvor noch nicht hergestellt hatte und er arbeitete sorgfältig und präzise und stellte seine Auftraggeber stets zufrieden. Er verstand sich auch immer besser mit Tom, der jedoch in den letzten Tagen selten anwesend war. Der Schmied schwirrte stattdessen hierhin und dorthin, um notwendiges Material oder Holz für den Ofen herbeizuschaffen.
So war er auch heute allein in der Schmiede und er holte gerade zum Schlag aus, als er zwei weibliche Stimmen vom Eingang her vernahm, die seinen Namen riefen. Er ließ den Hammer langsam sinken, legte ihn beiseite und bedeckte seinen bis eben noch entblößten Oberkörper mit einem ärmellosen Hemd. Augenblicklich klebte es an ihm fest und fühlte sich äußerst unangenehm an, doch er wollte nicht ungesittet wirken, indem er so halb nackt, wie er bis eben noch gewesen war, an die Frauen herantrat.
„Guten Tag, Janet!“, sagte er mit einem Lächeln, und während er näher trat, musterte er unauffällig Janets Begleiterin.
Er hatte sie bereits häufiger mit Janet zusammen gesehen, ihren Namen hatte ihm bisher jedoch niemand mitgeteilt.
„Das ist meine Cousine, Marsaili“, holte Janet das bisherige Versäumnis umgehend nach und deutete auf die Rothaarige, die ihm nun mit ihren himmelblauen, weit aufgerissenen Augen und einem breiten Lächeln ihre Hand entgegen hielt.
William sah die Mischung aus Zuneigung und Schüchternheit in ihrem Blick und hoffte, dass er sich, ihre Absichten bezüglich, täuschte.
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