Abschied nehmen
seine Miene sich verhärtete.
Dies hatte gesessen. Sie hatte bereits gestern seine Reaktion auf diesen Vorwurf gesehen und wusste genau, wie sehr sie ihm damit wehtun konnte. Und genau das wollte sie jetzt auch! Sein Herz sollte genauso bluten, wie ihres es tat! Sie wollte nicht die Einzige sein, die leiden musste! Er war für ihren Kummer verantwortlich und somit musste sie ihm auch welchen zufügen.
Sie sah seinen traurigen Blick, doch ihre Wut und ihr Schmerz verboten es ihr, nun an ihre Liebe zu ihm zu denken und Reue zu empfinden. Sie hatte nicht anders gekonnt, es schmerzte so sehr, ihn vor sich zu sehen und zu wissen, dass ihre Gefühle für ihn überhaupt nichts bedeuteten und diese verletzende Art war ihr einziger Schutz. Wenn sie ihn kränkte, war es, als würde er ihren Schmerz mit ihr teilen und es wurde ihr zumindest für diesen Augenblick leichter ums Herz.
„Ich hätte es wissen müssen“, sagte er und lachte kopfschüttelnd über seine eigene Dummheit. Er hatte ihr beinahe seine tiefsten Gefühle gestanden, er wollte sich gar nicht erst ihren Spott darüber ausmalen, den er geerntet hätte.
„Du hättest was wissen müssen? Dass du dir meine Freundschaft wohl auch mit einem Geschenk hättest erkaufen müssen, wie du es bei Willie getan hast?“
Wäre sie ein Mann, wäre sie nun mit einem einzigen Schlag seiner geballten Faust zu Boden gegangen und nun musste er sich stark zurückhalten, um nicht zu vergessen, dass sie keiner war.
Sie hatten sich schon weiß Gott oft genug gestritten, doch so bösartig war sie noch nie gewesen. Solche Abscheulichkeiten hatte sie ihm noch nie an den Kopf geworfen und so warf er alle guten Vorsätze, nicht mit ihr zu streiten über Bord und schlug zurück.
„Ich hätte wissen müssen, dass du nichts aber auch gar nichts von der Güte deiner Eltern geerbt hast! Diese ist wohl nur deinen toten Geschwistern zuteilgeworden, was? Du hast stattdessen nur diesen unendlichen Hass in dir, also kann ich auch gar nicht von dir erwarten, dass du verstehst, dass man so etwas nicht aus Eigennutz tut! Und Freundschaft soll ich von dir erkaufen? Nein, meine Liebe, ich denke nicht, dass du welche zu geben hast!“
Die Worte waren einfach so aus seinem Mund gesprudelt, getragen von dem unendlichen Zorn, den sie geweckt hatte. In seinem Kopf rauschte es nun, als sie sich gegenüberstanden und einander, wie zwei zum Kampf bereite Tiere anstierten. Plötzlich als hätte jemand den Gedanken im gleichen Augenblick in ihre Köpfe gepflanzt, drehten sie sich beide voneinander weg und gingen in entgegengesetzte Richtungen davon.
„Janet, Marsaili, es tut mir leid aber ich habe leider nicht die Zeit, um mit euch zu plaudern, da wartet noch viel Arbeit auf mich“, sprach er und sah sich dabei geistesabwesend um.
Nachdem er vollkommen aufgebracht wieder in die Schmiede zurückgekehrt war, hatte er sich nun beruhigt, doch Janet traute sich nicht, ihn zu fragen, was vorgefallen war. Vielmehr war sie darum bemüht einen beiläufigen Ton anzuschlagen, indem sie sagte: „Ach, das ist nicht schlimm. Vielleicht ein andermal.“ Dann nahm sie Marsaili an die Hand und sie ließen ihn allein.
William wandte sich augenblicklich seiner Arbeit zu und versuchte, wie schon so häufig, darüber seinen Kummer zu vergessen. Doch wie immer klappte es auch dieses Mal nicht. Er arbeitete bis zur völligen Erschöpfung und trotzdem hatte sein Verstand noch genügend Energie, um sich immer wieder dieselben Fragen zu stellen. Weshalb war sie so grausam gewesen? Und warum hatte er so verletzende Dinge gesagt? Und immer wieder fiel ihm auf, dass seine erste Frage gleichzeitig die Antwort auf seine Zweite war.
Er hatte lediglich ihre gehässigen Bemerkungen abwehren wollen und dabei war er zu weit gegangen. Nun war er hin und her gerissen. Einerseits tat es ihm furchtbar leid, was er gesagt hatte und andererseits war er noch immer über ihre Grausamkeiten zornig und zutiefst verletzt. Doch diese Gefühle vermischten sich immer mehr und brachten ihn zur Verzweiflung.
Jedoch ein Gutes hatte diese Angelegenheit, er konnte sich nun vollkommen sicher sein, dass sie keinerlei Gefühle für ihn hegte und nachdem was er gesagt hatte, auch nie welche entwickeln würde. Nun hatte er Gewissheit und eigentlich hatte er erwartet, dass es ihm dann um einiges besser gehen
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