Abschied nehmen
Doch er blieb nicht lange stehen, denn sogleich versagten ihm die Beine und er fiel schwer keuchend auf die Knie, während er mit blankem Entsetzen in den Augen das sich ihm bietende Bild betrachtete.
Überall waren Tote und überall war Blut, das Blut seiner Freunde und seiner Familie. Es tropfte von den Wänden und bildete Pfützen auf dem staubigen Hof, denn Erwachsene wie Kinder hingen an den Mauern seines Zuhauses und ihre vor Schmerz und Qual verzerrten Gesichter bezeugten die Furcht und das Leid, von dem ihre letzten Augenblicke geprägt gewesen waren.
William sah von einem zum anderen und entdeckte jeden, der ihm in irgendeiner Weise nahe stand. Nicht nur die Bewohner der Burg starrten ihn mit ihren vor Entsetzen geweiteten Augen an, auch Jamie, sein Vater und Amy waren Opfer dieses Gemetzels geworden und um ihn herum begann sich alles zu drehen. Die Trauer brach über ihm zusammen und er war nahe daran, sich einfach zu Boden fallen zu lassen und sich seinem Leid hinzugeben, als er plötzlich aufhorchte.
Es war kein Geräusch, das seine Aufmerksamkeit auf sich gezogen hatte, viel mehr war es die unheimliche und trügerische Stille. Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte er Gefahr witternd und er drehte sich plötzlich zu Kate um. Sie saß noch immer im Sattel, ohne sich zu bewegen, die Hände weiterhin vor dem Gesicht und zwischen ihren Fingern waren lediglich ihre mit Verzweiflung erfüllten Augen zu sehen.
„Kate, wir müssen hier weg!“, sagte er wie zu sich selbst und als hätten ihn diese Worte wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt, war er plötzlich wieder vollkommen klar im Kopf. Er sprang von seinen Knien auf, fest entschlossen das in Sicherheit zu bringen, was ihm als einziges noch geblieben war, doch noch während er auf sie zu rannte, vernahm er eine Bewegung in seinem Augenwinkel.
Im ersten Augenblick hoffte er, dass sie jemanden übersehen hatten, der am Leben geblieben war, doch diese Hoffnung löste sich gleich in Luft auf, als ihm bewusst wurde, dass es eine rote Uniform war, die ihm da ins Auge stach.
William blickte sich um und sah, dass sie umzingelt waren. Sie hatten sich alle verborgen gehalten und krochen nun auf Wentworths Zeichen wie Ratten aus ihren Verstecken. Sein hasserfüllter Blick blieb auf dem Major liegen, auf dessen Gesicht nun ein triumphierendes und arrogantes Lächeln lag und ihm war, als sähe er den Teufel persönlich vor sich.
Wortlos zog er Kate von ihrem Pferd, die nun wie er aus ihrer Erstarrung erwacht war, und drückte seine Frau an sich. Er würde sie nicht kampflos aufgeben. Niemals, dachte er und zückte Jamies Dolch, die einzige Waffe, die er bei sich hatte.
Auch Kate nahm aus einer ihrer Satteltaschen ein Messer hervor und sich an der Hand haltend, stellten sie sich Rücken an Rücken auf. Ihre Widersacher kamen langsam Schritt für Schritt auf sie zu und schließlich begann ein verzweifelter Kampf.
Sie wehrten sich mit allem, was ihnen zur Verfügung stand, mit Tritten, Bissen und ihren Waffen und William versuchte alles, um Kate so gut es ging zu schützen. Doch es war hoffnungslos. Sie schafften es zwar eine Handvoll Soldaten auch in den Tod zu schicken und einige andere zu verletzen, doch es waren einfach zu viele. Die, die vor ihnen zu Boden fielen, wurden gleich wieder ersetzt und so blieb es William lediglich noch, zu Gott zu beten, er möge ihnen zumindest die Gnade erweisen, im gleichen Augenblick niedergestreckt zu werden.
Doch auch dies war ihnen nicht vergönnt, wurde ihm mit einem Mal klar, denn schon im nächsten Augenblick spürte er wie Kate an seiner Seite zusammenbrach und …
Ein verzweifelter Schrei entrang sich seiner Kehle und riss nicht nur ihn, sondern auch die neben ihm liegende Kate aus dem Schlaf.
„William, was ist denn?“, fragte sie und der Schrecken, den er ihr versetzt hatte, war deutlich in ihrer Stimme zu hören.
Doch William antwortete nicht. Er kniete lediglich auf dem Bett, mit seiner Rechten krampfhaft das Messer umschließend und lauernd wie ein wildes Tier. Sie hörte ihn lediglich stoßweise atmen.
„William?“, wiederholte sie nun sanfter, berührte zärtlich die Hand, die die Waffe umschloss, und hätte sie am liebsten vor Schreck gleich wieder zurückgezogen. Seine Hand war kalt und starr und zitterte vor Anstrengung und die unverhoffte
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