Abschied nehmen
ist nun müßig, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was gewesen wäre wenn, denn du hast sie nun mal geküsst und solltest dir keine Gedanken mehr darüber machen“, sagte Marcus und wandte sich an seine Männer, ehe er weiter sprach. „Wo kämen wir denn dahin, wenn wir vor jedem Kuss, zunächst stundenlang abwägen müssten, ob sich daraus womöglich irgendwann eine Lebensgefahr für uns ergeben könnte?
In dem Fall könnten wir Angus in sein Gemach sperren und er wäre bis an sein Lebensende mit Grübeleien beschäftigt und es gäbe unzählige unglückliche Damen auf dieser Welt, die ihn furchtbar vermissen würden“, witzelte Marcus und die Männer schmunzelten und gaben zustimmende Laute von sich.
Erst als Marcus das Wort wieder an William richtete, verstummten sie.
„Also, dass das mal klar ist, du kannst nichts dafür und ich will nicht noch einmal hören, dass du dir dafür die Schuld gibst, aye?“, verlangte er, erntete von seinen Männern deutlich vernehmbare Zustimmung und von William ein ergebenes Nicken.
Der war zwar noch nicht vollends überzeugt, doch an Marcus’ Worten war viel Wahres dran gewesen. Immerhin hatte er Marsaili von Beginn an falsch eingeschätzt und es konnte durchaus sein, dass sie sich auch ohne das, was zwischen ihnen vorgefallen war, auf die gleiche Weise verhalten hätte. Vielleicht hatten seine Freunde ja Recht und er sollte sich nicht die Verantwortung dafür auf die Schultern laden, ganz gleich wie leid ihm tat, was vorgefallen war und dass Marsaili nun außer der Flucht keinen weiteren Ausweg gesehen hatte.
Er schob die Gedanken vorerst beiseite, doch das unangenehme Gefühl, das auf ihm lastete, ließ sich dadurch nicht vertreiben. Irgendetwas nagte an ihm, und erst als er in die nachdenklichen Gesichter seiner Freunde blickte, wusste er, was es war. Sie war nicht lange Thema ihrer Unterhaltung gewesen, doch die Befürchtung, die Angus laut ausgesprochen hatte, geisterte durch den Raum wie ein Gespenst. Und jeder von ihnen nahm beim Herausgehen einen Teil davon mit sich, der ihn an diesem Tage nicht mehr losließ.
Selbst Kate vermochte Williams Stimmung nicht zu bessern, vielmehr verschlimmerte sie seine Situation, indem sie eine weitere seiner so sorgfältig verborgenen Sorgen wieder an die Oberfläche holte. Denn heute erinnerte sie ihn wieder einmal überdeutlich daran, dass er sie noch immer belog und das versetzte ihm einen noch tieferen Schlag, als die Gefahren, die womöglich auf ihn warteten. Denn sollte Marsaili tatsächlich die Engländer auf sie ansetzen, würden sie es in den nächsten Tagen erfahren, doch mit der Lüge würde er weiterleben müssen.
An dem Abend gingen sie früh zu Bett und William hoffte darauf, dass sich seine Stimmung am nächsten Morgen gebessert haben würde. Doch das war weit gefehlt, denn die Albträume, die ihn heimsuchten, machten alles nur noch schlimmer.
Er ritt an einem milden Frühlingstag mit Kate durch die Highlands und sie verlebten einen schönen Tag miteinander. Alles um sie herum begann zu blühen, die Wiesen, über die sie ritten, versprühten einen erfrischenden Duft und überall keimte neues Leben. Der Tag war einfach so schön, dass keiner von ihnen beiden ahnte, dass ihn noch etwas zerstören könnte, doch als sie am Abend zurück zur Burg ritten, bewahrheiteten sich Williams schlimmste Befürchtungen.
Als sie ihrem Zuhause näher kamen, fand William es bereits eigenartig ruhig. Es war für diese Zeit zwar nicht ungewöhnlich, dass er keine Menschenseele sah, denn die meisten würden sich bereits in den großen Saal zum Essen begeben haben und doch wirkte die Burg beinahe gespenstisch auf ihn. Er äußerte seine Bedenken Kate gegenüber, doch sie winkte ab und gab stattdessen ihrem Pferd die Sporen, sodass William nichts anderes übrig blieb, als ihr zu folgen.
Sie hatte einen kleinen Vorsprung und ritt somit als Erste durch das Tor, doch kaum hatte sie es passiert, bäumte sich ihr Pferd plötzlich unter ihr auf und sie blieb abrupt stehen. William sah sie die Hände vors Gesicht schlagen und in sich zusammensinken und wusste nun, dass sein Gefühl ihn nicht getäuscht hatte. Er trieb Jimmy zur Eile an, und als er einen Augenblick später neben ihr war, erblickte auch er dieses unfassbare Grauen.
Er war nicht fähig zu sprechen und glitt niedergeschmettert von seinem Pferd.
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